Warum Netter better ist

Thomas Hermanns stellt am Sonntag im Lustspielhaus sein neues Buch vor
von  Thomas Becker
Der 56-jährige Thomas Hermanns ist Autor, Komiker, Regisseur. Er inszenierte 2015 für das Gärtnerplatztheater „Bussi – Das Munical“
Der 56-jährige Thomas Hermanns ist Autor, Komiker, Regisseur. Er inszenierte 2015 für das Gärtnerplatztheater „Bussi – Das Munical“ © dpa

"Netter is better“ heißt das neue Buch von Thomas Hermanns, dem Moderator, Entertainer und Gründer des Quatsch Comedy Clubs. Im Gespräch mit BR-Radiomann Thorsten Otto zeigt der Mann mit dem prägnantesten Lächeln der deutschen Showbranche im Lustspielhaus auf, wie die Kraft der guten Laune hilft, jede Lebenslage zu meistern. Ein Plausch über Empörung, Testosteron und schlecht gelaunte Taxifahrer.

AZ: Herr Hermanns, im Buch und beim Talk&Read im Lustspielhaus wird es um „The Power of Nice“ gehen, um die Kraft der guten Laune, um mehr Mut zur Albernheit. Das nimmt man Ihnen sofort ab. Wann waren Sie zum letzten Mal nicht nett zu jemandem?
THOMAS HERMANNS: Das ist wirklich selten. Es ist ja mehr als eine Überlebensstrategie, hat schon eher Botschaftscharakter. Es ist schwierig, mich nicht nett zu kriegen. Ich war gerade zehn Tage in Los Angeles, bin dann auf diesem amerikanischen Level von Nettigkeit – dann komme ich nach Berlin zurück und überschütte eine Woche lang grundlos jeden Taxifahrer, jede Bäckereifachverkäuferin mit Komplimenten. Das stößt erstmal auf großes Unverständnis. Auch Münchner Taxifahrer schließe ich da mit ein: die einzigen, die mich nicht vom Odeonsplatz zum Bahnhof fahren wollten, weil ihnen die Fahrt zu kurz war. Dann werde ich aber noch netter und gebe sogar zu viel Trinkgeld, sozusagen als allergische Gegenreaktion, um den Anderen in die Schranken zu weisen, wenn er grummelt, muffelt oder mir erklärt, warum das Leben so schlecht ist.

Können Sie überhaupt pampig werden?
Pampig nicht. Ich werde stiller, was man von mir nicht gewohnt ist. Ich rede weniger, wenn ich merke, dass die Gegenseite hochfährt. Ich versuche das, was die Amerikaner so schön „Killing with Kindness“ nennen. Je aggressiver jemand wird, desto freundlicher werde ich. Deshalb das Buch: Wenn alle immer mehr brüllen, schreien und agitieren, muss man in die Gegenrichtung gehen und noch netter werden.

Ist das Ihre Beobachtung: Dass alle immer übellauniger werden?
Die Leute nehmen sich ja keine Sekunde mehr, um zu überlegen, ob sie ihre schlechte Laune vielleicht für sich behalten sollten. Alle werden immer aufgebrachter, wir leben in einer Aufregungskultur. Was mich ärgert: Dass so was wieder positiv gewertet wird, wenn man sich wahnsinnig über etwas empört. Erst mal denken, dann empören! Das Problem in Deutschland ist, dass Leute nett sein mit doof sein verwechseln. Ich muss meine Positionen ja nicht vertreten, indem ich den Anderen unhöflich, arrogant oder testosteronig behandele. Man kann das auch auf eine andere Art machen. Das ist gerade in unserer Zeit unglaublich wichtig. Es gibt nur zwei Richtungen: Entweder wir regen uns alle permanent auf und brüllen uns an, oder wir versuchen den Planeten zu retten, indem wir mit uns selber und den Anderen besser umgehen.

Sie haben es angedeutet: Das Wort „nett“ hat ein mieses Image.
Vor allem unter Männern. Ich glaube, dass Frauen das zwischen der Yoga-Klasse und der Achtsamkeitsübung inzwischen anders einschätzen, aber bei den Jungs? Selbst im Entertainment sitzen in den entscheidenden Etagen nur Männer. Und da ist es besser, man ist aggressiv, hart, laut und haut mal auf den Tisch. Gerade im Zusammenhang mit Comedy und Unterhaltung ist dieses Alphatiergeheul immer so lächerlich. Es wird besser, aber es gilt immer noch: Nett ist die kleine Schwester von Scheiße.

Ihre Firma heißt „Serious fun“ – ist Spaß ein ernstes Geschäft?
Genau, das war mir immer wichtig, diese scheinbaren Gegensätze zu überbrücken. Wir sind ja das einzige Land der Welt, das unterscheidet. Das habe ich in der Schule gelernt, in meiner Münchner Studienzeit wurde mir das eingetrichtert: Wenn ich eine Komödie oder Operette inszenieren wollte, wurde ich gleich in die harte Tabori-Schule geschickt, musste erstmal beweisen, dass ich Heiner Müller und Adorno auch verstehen kann und trotzdem Molière lesen darf. Tenor: Wenn man schlau ist, ist man kritisch, hinterfragt alles 18 Mal und sagt: „Naja, so gut war dieser William Shakespeare nun doch nicht.“ Wer etwas einfach super findet, ist sofort in Naivitätsverdacht. Das bekommen wir in Deutschland schon früh beigebracht. Dagegen schreibe ich im Buch an.

Ihre Studienzeit in München nimmt darin großen Raum ein. Erzählen Sie doch mal!
1984 stand München nicht nur für Reichtum und Schickheit. Es gab auch eine starke Gegenkultur, mitten in der Stadt, noch bezahlbar. Damals wollte man nicht in die Klenzestraße ziehen, weil die Wohnungen da so billig waren. Es gab viel Underground, Kunst, Performance – für mich ein sehr guter Ort, um neben dem Studium der Theaterwissenschaft meine ersten Stücke im Rationaltheater oder im Café Größenwahn aufzuführen. Das war eine sehr offene Stadt, was ich völlig ausgekostet habe. Dieser Hang zum Granteln, der in München gerne kultiviert wird, hat mich nach fünf Jahren wieder aus der Stadt getrieben. Wenn mich wieder so eine Dackel-Rentnerin anblaffte, weil ich auf der falschen Seite an ihr vorbei bin, wird das in München als lustig empfunden – das geht mir als rheinischem Kind gegen die Hutschnur.

Danach ging’s nach New York...
Wer dort sagt, er will Entertainment machen, ist der Held der Nation. Da habe ich verstanden, dass sich all das nicht widerspricht. Von da stammt mein erster Export/Import: Karaoke. Die erste Veranstaltung 1989 in München hat dazu geführt, dass heute in jeder deutschen Stadt eine Karaoke-Bar steht und Leute fröhlich Backstreet Boys singen, ob sie’s können oder nicht.

Wo fand diese erste Karaoke-Show statt?
In einem China-Restaurant im Glockenbach – weil Karaoke aus Japan kam, wir aber kein japanisches Lokal kannten. Von da aus ging’s dann durch die Nation.

Und für Sie 1992 nach Hamburg zum Quatsch Comedy Club. Am ersten Abend saß Brigitte Nielsen im Publikum. Warum?
Warum auch immer. Sie war an dem Abend bei „Premiere“ in einer Sendung, und die Redakteure haben sie praktisch mitgebracht. Man hätte mir schon Bescheid sagen können. Die saß da, und ich dachte natürlich nicht, dass sie das ist. Sie war so dramatisch geschminkt, dass alle dachten, das ist eine Transe von der Reeperbahn. Mir wurde dann vermittelt, dass sie die echte Nielsen ist, und so musste ich am ersten Abend gleich ein Star-Interview machen, was komplett nach hinten losging.

Wie das?
Naja, ich habe sie gefragt, ob sie viele VIPs kennt, ob sie sich mal ne Tasse Salz bei Joan Collins ausleiht. Worauf sie meinte: „Joan wohnt halt in London, ich in Los Angeles – das wär dann doch ein bisschen weit.“ Und ich habe gelernt, dass nicht alle Stars in einer Stadt wohnen. Aber sie hat brav erklärt, was Standup-Comedy ist, wie toll das ist – und alle ihren Prophezeihungen haben sich erfüllt.

27 Jahre ist das her. Wie sehen Sie die Szene heute?
Es ist unglaublich. Am ersten Abend musste ich die sechs Performer quasi überreden, sich überhaupt Comedians zu nennen. Völliger Irrsinn, wenn man jetzt beim Comedy Preis sitzt, und alle haben Manager und Netflix-Verträge. Es ist eine Industrie geworden. Das kann man nicht vorher wissen, muss einfach mit etwas anfangen und schauen, dass es wächst – und sich auf keinen Fall von den deutschen Miesmachern wieder ausreden lassen. Zu jedem Projekt, das ich gemacht habe, wurde mir – oft auch von Journalisten – erklärt, warum es nicht klappen wird. Bei Karaoke hieß es: „Nie wird sich in Deutschland jemand auf die Bühne stellen und Pop singen. Das tun wir Deutsche nicht. Wir haben doch Gesangsvereine und Bierzelte.“ Bei Standup-Comedy wurde mir erklärt, dass die deutsche Sprache dafür nicht geeignet ist, weil die Grammatik zu lang ist. Beim Musical hieß es, dass die Deutschen Musical nicht können, dass alle Darsteller Engländer und Amerikaner sind. Immer wurde mir erklärt, warum etwas nicht klappt – und alles, was ich aus Trotz dennoch gemacht habe, ist ganz gut geworden. Insofern ist „Netter is better“ ein klassisches Motivationsbuch, sich nicht von diesem deutschen Grauschleier einsacken zu lassen.     

Lustspielhaus, Sonntag, 20 Uhr, Eintritt 26 Euro, Karten unter Telefon 344974

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