Wahrung der Tradition

Neuanfang im Bayreuth der Operette: Carl Millöckers „Der Bettelstudent“ auf der Seebühne im burgenländischen Mörbisch in einer betont seriösen Version – aber mit Feuerwerk
Volker Boser |
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Einer war ganz schön angefressen und machte auch keinen Hehl daraus: „Ich pfeif’ auf die Pletsch’n“, giftete Harald Serafin, Ex-Chef der Seefestspiele Mörbisch, und kündigte an, das Komturkreuz, die höchste Auszeichnung des Burgenlandes, wieder zurück zu geben.

Dagmar Schellenberger, seine Nachfolgerin, hatte dem Operettenpapst für die „Bettelstudent“-Premiere nur eine statt zwei Ehrenkarten zukommen lassen, die er grollend ablehnte. Schließlich seien alte Rechnungen offen. Zwei Monatsgehälter als Boni für erreichte Zuschauerzahlen stünden ihm noch zu. Und die „billige Kaufhausuhr“, die man ihm zum Abschied geschenkt habe? Eine Frechheit.
Dagmar Schellenberger, von Serafin als „ostdeutsche Drittbesetzung“ abgestraft, mag sich ihren Teil gedacht haben. Einen kleinen Seitenhieb konnte sie sich zur Eröffnung, zu der die gesamte österreichische Polit-Prominenz angereist war, dennoch nicht verkneifen: Ob sie Schulden übernommen habe, dazu wolle sie sich nicht äußern: „Aber wenn die Auslastung nicht stimmt, hat das natürlich Folgen.“ Ihr Konzept ist das Gleiche wie das von Serafin: „In Mörbisch geht es um die Bewahrung der Tradition.“

Keine Experimente also: Carl Millöckers „Der Bettelstudent“ auf der Seebühne hatte den Charme knallbunter Hollywood-Filme aus den Anfängen der Cinemascope-Ära. Das Geschehen entwickelte sich zäh. Auf Textverständlichkeit wurde großer Wert gelegt. Dirigent Uwe Theimer beherzigte, dass eine riesige Bühne Tempo nur in Maßen erlaubt.

Die Besetzung war sorgsam ausgewählt worden. Der Dresdner Henryk Böhm lieferte als beleidigter Oberst Ollendorf keine Klamotte ab, sondern die heitere Studie eines eitlen Gockels, der sich sehr wohl zu wehren weiß. Cornelia Zink (Laura) und Mirko Roschkowski (Symon) sind ein ideales Paar – wenn Operette so kultiviert und ernsthaft gesungen wird, dann braucht man sich um ihre Zukunft nicht zu sorgen.

Auch die Regie (Ralf Nürnberger) bemühte sich, vordergründige Effekte zu vermeiden. Der Neusiedlersee war – ähnlich wie in Bregenz – in das Spiel integriert. Und selbst der sächsische Dialekt klang authentisch. Es scheint, als könnte diese Seriosität zu einem Markenzeichen der neuen Intendantin werden. Ob sich das auch an der Kasse auszahlt, wird sich weisen.

Vorsorglich wurde schon einmal das gastronomische Angebot erweitert, die Live-Übertragung durch den ORF jedoch gestrichen. Auch da redet Dagmar Schellenberger Klartext: „Warum sollte sich Tante Elfriede aus Linz auf den Weg nach Mörbisch machen, wenn sie das Ganze schon im Fernsehen erleben konnte?“

Eines ist aber zum Glück geblieben: Das Feuerwerk, diesmal mit Wasserspielen, die das ohnehin schon grandiose Finale noch einmal beträchtlich steigerten.

Bis 24. 8. in Mörbisch am Neusiedlersee (Burgenland), Karten Tel. 0043/268266210-0 und seefestspiele-moerbisch.at

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