Vom Hindukusch zum deutschen Wertstoffhof

Die Uraufführung von Petra Winterstellers Komödie "Sperrmüll" im Theater Undsofort.
Mathias Hejny |
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Petra Wintersteller und Heiko Dietz.
Volker Derlath Petra Wintersteller und Heiko Dietz.

Wertstoffhöfe gelten eher nicht als typische Schauplätze für Romanzen. Dorthin kommt, was die Menschen nicht mehr brauchen oder nicht mehr wollen. Evelyn versucht, ihr bisheriges Leben zu entsorgen. Auf den Müll kommen die Hemden aller ihrer Verflossenen, Bücher wie ein dickleibiger Band mit dem Titel "Wie werde ich in zehn Tagen schlank?", den ihr einer der Geliebten einst schenkte, oder 301 Ausgaben einer Klatschillustrierten, deren Herz-Schmerz-Geschichten sie nicht mehr lesen mag.

In der Uraufführung der Komödie "Sperrmüll" im Theater Undsofort wird Evelyn von Autorin Petra Wintersteller selbst gespielt. Nicht zum ersten Mal bildet sie zusammen mit Heiko Dietz ein Traumpaar des Tragikomischen. Undsofort-Chef Dietz hat die Rolle von Jürgen, der für Ordnung sorgt auf dem Wertstoffhof. Er weiß genau, in welchen Container welcher Müll muss. Telefaxpapier, zum Beispiel, gehört nicht in den Papiermüll, da ist Jürgen ganz genau. Und ausgerechnet in seinem Reich, in das er sich vor Ehefrau, dem Sohn und überhaupt aus der Welt draußen zurückgezogen hatte, verliebt er sich.

Erfrischendes Tempo und witziger Slapstick.

Regisseur Winfried Frey beginnt die Liebeskomödie mit erfrischendem Tempo und sehr witzigem Slapstick. Sie ist eine aufgedrehte Nervensäge, er der unwirsche Müllwerker, der um seine Autorität an diesem Ort weiß. Ganz allmählich aber werden auch die Schatten sichtbar, mit denen die beiden leben müssen.

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Wenn Evelyn tief in ihrem Inneren noch immer eine vergangene Liebe betrauert, gehört das zum Sujet, in dem es nicht zuletzt darum geht, wer wen am Ende kriegt. Ganz und gar todesmutig aber ist in diesem Zusammenhang, Begriffe wie "posttraumatisches Belastungssyndrom" zu thematisieren.

Schaupielerisches Meisterwerkchen

Jürgen erweist sich als in der Seele verwundeter Afghanistan-Veteran, der hoffte, als Eremit vom Wertstoffhof seine Ruhe zu finden. Fast tagesfrisch wird sogar der gegenwärtige Abzug der Bundeswehr aus dem Hindukusch angesprochen. Überraschenderweise geht das nun hereinbrechende Thesentheater gut.

Mit dem Dialog, in dem Jürgen seine Geschichte erzählt, ist Wintersteller und Dietz ein kleines schaupielerisches Meisterwerkchen gelungen - berührend und trotz der Abgründe, die sich auftun, nicht ohne Charme auf beiden Seiten. Da es letztlich doch eine Komödie bleibt, lässt sich der Schluss verraten: Evelyn und Jürgen werden sich kriegen.


Theater Undsofort, Hinterbärenbadstr. 2, bis 15. August Mi. bis Sa., 20 Uhr, So., 18 Uhr www.undsofort.de

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