Verschwendung am Gärtnerplatz?

Musicals mit Dissonanzen: Das Gärtnerplatztheater antwortet auf die Vorwürfe von Werner Steer aus dem Deutschen Theater
MÜNCHEN - Eigentlich müssten sie sich doch wunderbar verstehen. Werner Steer, gemeinsam mit Carmen Bayer Geschäftsführer des Deutschen Theaters, kennt wie Gärtnerplatz-Chef Josef E. Köpplinger, die Schwierigkeiten, anspruchsvolles unterhaltendes Theater zu spielen und ein breites Publikum zu ereichen, auch wenn das Stammhaus für Jahre wegen Renovierung geschlossen ist.
Doch ärgern sich Köpplinger und sein Haus über eine Aussage Steers in der gestrigen AZ. Steer, dessen Vertrag gerade um fünf Jahre verlängert wurde, holte mit dem Rückenwind einer Rekordbilanz (315 000 Zuschauer) zu einem Seitenhieb auf das Gärtnerplatztheater aus: „Es ist mein wunder Punkt. Natürlich kann dieses Haus Musicals machen. Aber bitte nicht die Werke, die auf dem Markt sind. Ich denke auch, dass diese Aufführungen nicht an die Qualität herankommen, die große Musical-Produzenten zu uns bringen.“
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Zum Auftrag des Staatstheaters am Gärtnerplatz gehöre auch die Aufführung von Musicals, heißt es dazu in einer schriftlichen Antwort des Hauses. Mit „Tschitti Tschitti Bäng Bäng“ habe es eine kontinentale Erstaufführung herausgebracht, mit „Singin’ in the Rain“ eine Novität für München und mit „Gefährliche Liebschaften“ sogar eine Uraufführung. Diese Werke seien alle nicht „auf dem Markt“, also für das Deutsche Theater nicht einkaufbar.
Der tiefere Grund für Steers Verärgerung liegt offenbar im Wettbewerb beider Theater um bestimmte Erfolgsmusicals. In der Schwanthaler Straße hat man sich um die Londoner Produktion von „Singin’ in the Rain“ bemüht, die nicht zu bekommen war, nachdem das Gärtnerplatztheater eine Aufführung des Werks angekündigt habe. „Ich beneide Herrn Köpplinger nicht um die vielen Millionen an Steuergeldern, die er zur Verfügung hat“, sagte Werner Steer gestern zur AZ. „Aber wir agieren auf einem privatwirtschaftlichen Markt mit nur wenigen großen Produzenten.“ Er wünscht sich eine bessere Absprache mit Köpplinger. Die aber habe sich nach anfänglicher Zusammenarbeit – das Gärtnerplatztheater gastierte mehrmals im Deutschen Theater – als schwierig erwiesen.
Keine Verschwendung
Steer hatte hatte im Frühjahr eine Tourneeproduktion von „Jesus Christ Superstar“ im Haus. Köpplinger inszeniert das gleiche Musical im kommenden Jahr für das Gärtnerplatztheater. Steer ist stolz darauf, damit einen (kleinen) Gewinn erzielt zu haben. Am Gärtnerplatz laufe aber eine solche Produktion nur kurz: „Dann wird sie weggeworfen. Das verschlingt Unsummen an Steuergeld.“
Das lässt das Gärtnerplatztheater naturgemäß nicht auf sich sitzen: „Richtig ist, dass unser Haus einen umfassenden Repertoire-Spielplan zu bestreiten hat, den es seit der umbaubedingten En-Suite-Spielsituation aufbaut und größtenteils im Stammhaus am Gärtnerplatz nach dem Wiedereinzug zeigen wird“, so das Gärtnerplatz in seiner Erklärung.
Die – angebliche – Verschwendung illustrierte Steer mit einem Beispiel: „Vor einem Jahr hat Thomas Hermanns für den Gärtnerplatz ,Bussi’ in der Reithalle herausgebracht. Er hat getestet, wie viel Geld er ausgeben kann, bis jemand ,Halt’ sagt und immer weitere Wünsche geäußert. Sie wurden alle erfüllt: Er musste feststellen, dass Geld keine Rolle spielt.“ Steers Rechnung: Das umjubelte und stets ausverkaufte Stück habe in der kurzen Spielzeit in der Reithalle maximal 50 000 Euro eingespielt und ein Zigfaches gekostet.
Da wird das Gärtnerplatztheater in seiner Erklärung grundsätzlich: „Herr Steer ist Geschäftsführer, nicht der künstlerische Leiter eines reines Abspielunternehmens. Er hat kaum Erfahrung mit der Produktionsmentalität eines staatlichen Opernhauses, das ausschließlich Eigenproduktionen zeigt“, heißt es in der Erklärung.
Und zum konkreten Beispiel „Bussi“: „Wie bei jeder Produktion üblich, hat die künstlerische Leitung des Theaters auch in diesem Fall alles getan, die berechtigten Anforderungen des Regisseurs Thomas Hermanns zu erfüllen, selbstverständlich im Rahmen des Budgets“, heißt es in einer Erklärung des Theaters. „Daraus den Schluss zu ziehen, Thomas Hermanns ,hätte das Theater getestet’, ist eine Diskreditierung für den Regisseur und für das Gärtnerplatztheater.“
Schwer vergleichbar
Beide Häuser sind im Grunde schwer vergleichbar. Das Deutsche Theater hat weder ein eigenes Orchester noch ein Ensemble. Es lebt davon, Musical-Tourneeproduktionen für Wochen (oder gar Monate) ins Haus zu holen. Das Gärtnerplatztheater beschäftigt neben vielen Gästen ein eigenes Orchester und ein Sänger-Ensemble. Der Intendant Josef E. Köpplinger sorgt an verschiedenen Ausweichplätzen für das erst im nächsten Jahr wieder zur Verfügung stehende Stammhaus für viel positiven Wirbel.
Das hat seinen Preis. Mit rund 38 Millionen Euro bezuschusste der Steuerzahler 2014 das Programm. Steer erhielt von der Stadt im vergangenen Jahr 1,75 Millionen Euro, wovon er aufgrund der hohen Auslastung über 1,41 Millionen Euro wieder zurückzahlen konnte. Seine Rechnung: Jede Karte werde nur mit einem Euro Steuergeld bezuschusst, während das Gärtnerplatztheater (wie Staatsoper, Staatstheater, Kammerspiele) ganz andere Summen verschlinge – rund 100 Euro im Nationaltheater und fast 70 Euro je Karte bei den Philharmonikern.
Ein wenig Sarkasmus steht am Ende der Erklärung des Gärtnerplatztheaters: „Die Nervosität von Herrn Steer, die aus dem Interview ersichtlich wird, ist für einen Geschäftsmann wie ihn nachvollziehbar. Überflüssig ist sie allemal, da Konkurrenz das Geschäft belebt und auch die enorm hohe Auslastung in allen Genres des Gärtnerplatztheaters zeigt, dass durchaus ausreichend Publikum für Musicals in der Stadt ist.“