Verdis "Simon Boccanegra" in der Bayerischen Staatsoper

Tod in der Mehrzweckhalle: Verdis düstere Dogenoper ist in Dmitri Tcherniakovs Inszenierung eine ziemlich graue Angelegenheit
Robert Braunmüller |
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Verdis „Simon Boccanegra“ ist in der Bayerischen Staatsoper eine ziemlich graue Angelegenheit

Nikolaus Bachler redet gern in Großbuchstaben von der Weltklasse der Bayerischen Staatsoper. Sie wird hoch subventioniert, um in eigenen Produktionen künstlerische Risiken einzugehen. Dazu passt nicht, dass im Verdi-Jahr „Simon Boccanegra“ in einer Version herauskommt, die bereits 2011 an der English National Opera in London zu sehen war.

Dmitri Tcherniakov hat in München Mussorgskys „Chowanschtschina“ als zynisches Machtspiel inszeniert und Poulencs „Dialogues des carmélites“ aufregend ins Heute geholt. Im Vergleich dazu ist die aufgefrischte Arbeit schwach. Zwar gelang es dem Russen, durch Projektionen den Zeitsprung von 25 Jahren zwischen dem Prolog und den folgenden Akten zu vergegenwärtigen. Auch das Finale ergreift, in dem der Doge mit einem Papierschiff als Hut und einer Wellen-Pantomime den Tod als Befreiung erlebt.

Aber sonst erschöpft sich die Inszenierung in einem Küchen-Realismus, der seit Jonathan Millers Mafia-„Rigoletto“ aus dem Jahr 1975 zur internationalen Konfektion geworden ist. Natürlich werden die meisten großen Gefühle verkleinert: Amelia und Adorno spielen sich die Liebesszene vor, der Anflug von Weltpolitik in der Ratsszene wirkt im Rathaus von Vaterstetten nur läppisch. Dass Boccanegra in der Deutung des Regisseurs gar nicht glaubt, seine Tochter wiedergefunden zu haben, bleibt undeutlich.

Tcherniakovs eigenes Bühnenbild holt sich im ersten Akt Anregungen aus den Gemälden von Edward Hopper. Der Rest spielt in einer Mehrzweckhalle, deren Tristesse nicht zur Kunst erhoben wird. Die projizierten Zwischentitel beißen sich mit den hellen Übertiteln und verwirren in ihrer Ausführlichkeit, statt zu klären. Das Nazi-Wort „Machtergreifung“ passt weder zur Handlung der Oper noch zur Inszenierung. Und ein Straßenschild mit der Aufschrift „Piazza Fiesco“ dürfte es in Genua nicht geben.

Das alles müsste beim zweiten Mal nicht sein. Und es könnte durch die Musik aufgewogen werden. Doch der düstere Grundton Verdis bleibt in dieser Aufführung grau wie die Anzüge und Krawatten auf der Bühne, ohne dass dafür das exzellente Staatsorchester verantwortlich wäre. Es ist die Schuld des Dirigenten Bertrand de Billy, der zwar einfühlsam begleitet, die Partitur dabei aber in zusammenhanglose Happen zerlegt. Und er kennt nur Mezzopiano und Fortissimo, leider kaum Nuancen dazwischen.

Zeljko Lucic singt leise am schönsten. Sein Bariton ist eine Pracht, aber es wäre übertrieben, ihn als charismatischen Darsteller zu bezeichnen. Die erst spät in die Produktion eingestiegene Kristine Opolais widerlegt dafür als Gothic-Amelia das Vorurteil von Verdis präemanzipatorischen Frauen. Doch die heikle Arie misslang ihr flackrig. Vitalij Kowaljow (Fiesco) tönt mit einer Bass-Stimme wie Erz, wirkt als Interpret aber noch ungeläutert. Der für Ramon Vargas eingesprungene Stefano Secco war für den Adorno zu lyrisch, Paolo (blass: Levente Molnár) und Pietro (Goran Juric) hätten besser die Rollen getauscht.

Nichts war musikalisch wirklich Weltklasse. Zugegeben: Es ist verdammt schwer, im Verdi-Jahr so zu besetzen und zu inszenieren, dass es einen wirklich angeht – nicht nur in München. Wagner ist dagegen eine sichere Bank. Hoffen wir trotzdem auf den „Troubadour“ mit Jonas Kaufmann und Anja Harteros.

Wieder am 9., 12. und 15. Juni im Nationaltheater, einzelne Restkarten unter Telefon 21 85 19 20

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