Unter lauter Menschen
Das Grand Théâtre schmiedete Richard Wagners „Ring des Nibelungen“ über zwei Spielzeiten. Verheißungsvolle Namen hatte Hausherr Tobias Richter für sein Projekt verpflichtet: Ingo Metzmacher und Dieter Dorn, der sich damit einen lang gehegten Wunsch erfüllen konnte.
Dass Dorn kein Regie-Berserker ist, ist bekannt. Das bestätigten auch der Vorabend und die ersten beiden Tage der Genfer Ring-Tetralogie. Dorn erzählt Wagners fundamentale Macht- und Kapitalismuskritik in schlichten Bildern. Nicht einmal – wie es Tankred Dorst im vorletzten Bayreuther „Ring“ getan hat oder Andreas Kriegenburg ansatzweise in München – aus dem Blick des heutigen Zuschauers. Sondern nur fokussierend auf die Personen in sparsamen Bildern seines Leibausstatters Jürgen Rose.
Konzepttreu geht es in der „Götterdämmerung“ weiter. In Roses dunklem, kargen Bühnenraum mit angedeuteten Handlungsorten können sich die Protagonisten spielerisch entfalten. Was sie auch mit Verve machen und sich dabei von Dorns Hand lenken lassen. Siegfried, Brünnhilde, Hagen, Gunther und Gutrune – sie wirken wie Menschen, die lieben und betrogen werden, nach Macht streben, Intrigen spinnen, sich rächen.
Mit dieser Welt fühlt sich Dorn näher verwandt als mit Riesen, Zwergen und Göttern, weshalb die „Götterdämmerung“ auch der gelungenste Teil der Genfer Tetralogie ist. Keinen Moment möchte man die – zumindest handlungsmäßig größtenteils redundante – Waltraute-Szene missen, in der Michelle Breedt impulsiv und verzweifelt bei ihrer Schwester Brünnhilde auf Granit beißt, den verfluchten Ring den Rheintöchtern zurückzugeben. Hervorragend ist die Idee, Siegfried wirklich in der Gestalt Gunthers um Brünnhilde werben zu lassen.
Petra Lang ist eine exzellente Brünnhilde
Einer der Höhepunkte ist das Aufeinandertreffen von Siegfried und Brünnhilde in der Gibichungenhalle (eine weiße Box). Siegfried hat sich trotz all seiner Erfahrungen, die er mittlerweile gemacht hat, etwas Naives bewahrt, was John Daszak mit seiner gar nicht so heldenhaften, aber gut tragenden Stimme unterstreicht.
Der Brünnhilde von Petra Lang merkt man hingegen ihre göttliche Abstammung und innere Stärke in jedem Moment an. Langs Stimme mag Geschmackssache sein, ihre Bühnenpräsenz ist fantastisch. In ihrer Ausdruckskraft als Darstellerin erinnert sie dabei einmal mehr stark an Anja Silja. Neben ihr ist es schwierig, sich zu behaupten. Das gilt vor allem für Jeremy Milner als Hagen. Ihm fehlt es für den Bösewicht an Dämonie und der dazugehörigen Schwärze in der Stimme – er wirkt mehr wie ein gütiger Sarastro. Da ist John Lundgren als Alberich von anderem Kaliber. Auf dem Niveau der Lang agiert hingegen Johannes Martin Kränzle als Hagens schwächlicher Halbbruder Gunther.
Das eigentliche Ereignis des Genfer Rings bleibt auch am dritten Tag Ingo Metzmacher am Pult des Orchestre de la Suisse Romande mit seinem kammermusikalischen Ansatz. Hier verschwimmen die dicht aufeinanderfolgenden Motive nicht in einem trüben Klangstrom, sondern werden fast schon filigran aufgedröselt, um sich dann im glasklaren Wasser wieder zu vereinigen. Das Orchester kämpft leider an einigen Pulten mit Intonationstrübungen, auf ansprechendem Niveau gestaltet vor allem der Herrenchor des Hauses seinen Part (Einstudierung: Ching-Lien Wu).
Bis 2. Mai sowie anschließend zwei zyklische Aufführungen der Tetralogie: 13., 14., 16. und 18. Mai sowie 20., 21., 23. und 25. Mai. Karten und Informationen: www.geneveopera.ch, Telefon: 0041 / 22 322 50 50
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