Unter den Talaren Tattoos aus tausend Jahren
Im Sommer 2012 wurde der russische Bass-Bariton ziemlich unsanft von den Bayreuther Festspielen genötigt, die Titelpartie im „Fliegenden Holländer“ abzugeben. Der Grund: Nazi-Tattoos, die sich Evgeny Nikitin als Jugendlicher stechen ließ. Schon damals fand Münchens Opernchef Nikolaus Bachler scharfe Worte für das Verhalten der Familie Wagner und nannte deren Argumente „verlogen“.
In der Staatsoper war Nikitin jetzt in jener Rolle zu erleben, die er wohl gerne auch in Bayreuth gesungen hätte. Voyeure kamen nicht auf ihre Kosten. Denn in Peter Konwitschnys Münchner Inszenierung geistert der Holländer wie einem Gemälde aus dem 17. Jahrhundert entsprungen über die Bühne: zwar zerlumpt, aber hochgeschlossen.
Leider hatten diesmal auch Stimmfetischisten keinen Grund zum Jubel. Evgeny Nikitin ließ sich vor der Vorstellung wegen einer noch nicht auskurierten Virus-Infektion entschuldigen. Man spürte Bemühen, aber für Gestaltung blieb kein Raum. Sinnvoller wäre gewesen, die Staatsoper hätte nach einem Ersatz gesucht.
Dirigent Gabriel Feltz behandelte Wagners leidenschaftlich romantische Musik mit der Akribie eines Oberlehrers. Das Duett im zweiten Akt zwischen Holländer und Senta (ausgezeichnet, wie schon in der Premiere: Anja Kampe) kam nahezu zum Stehen. Souverän: Michael König (Erik), Kwangchul Youn (Daland) und Kevin Conners (Steuermann). Der Staatsopernchor schwächelte.
Die Weigerung des Dirigenten, Spannungsbögen zu gestalten und Evgeny Nikitins bedauerliche Indisposition zeigten Wirkung: Nur in wenigen Momenten war diese Aufführung mehr als lediglich betulich belanglos.