Unaufhaltsamer Aufstieg der Märchenbühne

Das Theater der Jugend wird 60 Jahre alt – und feiert sich mit einem Festival
Matthias Hejny |
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Das Theater der Jugend wird 60 Jahre alt – und feiert sich mit einem Festival

George Podt ist Münchens Intendant mit der längsten Amtszeit. 1990 übernahm er die Schauburg und ist am Elisabethplatz bis heute der Chef. Nun feiert das Kinder- und Jugendtheater der Stadt, das organisatorisch eng mit den Kammerspielen verbunden ist, sein 60-jähriges Bestehen. Ein Drittel dieser Vergangenheit gehören zur Ära Podt. Und gegen mehr Zukunft über das Vertragsende 2015 hinaus hätte der 64-Jährige nichts.

Am Anfang stand ein Traum: Sigfrid Jobst und seine Frau Annemarie Grashey investierten 1953 rund 22000 Mark in die Münchner Märchenbühne, die an der Leopoldstraße etabliert wurde. Seinerzeit war das mehr Geld, als es heute klingt, doch überlebte das Projekt nur, weil bereits im Folgejahr die Qualität erkannt und mit öffentlicher Subvention gefördert wurde. Heute wird ein Jahresetat von knapp 3,5 Millionen Euro verwaltet, rund 400<TH>000 Euro davon sind selbst erwirtschaftet.

Die aufmüpfige Zeit um das Jahr 1968 brachte traditionelle Vorstellungen von Kinder- und Jugendtheater ins Wanken. Die Gründer mussten gehen, aus der Märchenbühne wurde das Theater der Jugend. Jobsts Nachfolger Norbert Mayer krempelte das Haus ästhetisch und politisch völlig so um, dass die Schulen die Vorstellungen boykottierten. Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel lud den Theaterchef wegen linker Umtriebe zum Rapport ins Rathaus vor und der Kammerspiele-Intendant Hans-Reinhard Müller klagte, sich einen „Kommunisten ans Bein“ gebunden zu haben.

In dem ehemaligen Kino Schauburg, den das Theater der Jugend 1977 bezog, herrscht längst Frieden. Jürgen Flügge prägte in den 1980er Jahren den Charakter des Hauses. Als Kulturreferent Hans-Georg Küppers den Verzicht auf die Vertragsverlängerung von Johan Simons als Intendant verkünden musste, erklärte er: „Die Münchner Kammerspiele sind nicht irgendein Theater.“ Auf die Frage, ob er die Schauburg in ähnlich exponierter Position sieht, antwortet Podt mit einem selbstbewussten „Ja!“

In einer ähnlichen Liga spielen nur wenige, wie das Berliner Grips-Theater, das Mannheimer Schnawwl oder das Theater Pfütze in Nürnberg. Die Franken sind auch am Festival „Schau mal!“ beteiligt, mit dem sich die Schauburg ab Sonntag feiert. Die Franken zeigen am 11. Juni „Ente, Tod und Tulpe“ von Wolf Erlbruch. Weitere Gäste sind das Junge Schauspielhaus in Hamburg („Elektra“ von Nino Haratischwili am 12. sowie „Wut“ von Max Eipp am 13. und 14.), Andreas Denk aus Amsterdam („Nachbar auf Urlaub“ am 14. und 15.) und zum Abschluss am 15. die „Pyromantiker“ aus Berlin mit Feuerwerkstheater. Die Hausherrn selbst tragen „Die Suche nach dem Gral“ (9.), „Tiger und Bär“ (11.), „Salz“ (12., 13.) und „Jenseits von Eden“ (15.) bei.

Seine 95-prozentige Auslastung, die rund 40<TH>000 Zuschauer pro Spielzeit bedeutet, erzielen Podt und seine Frau, Chefdramaturgin Dagmar Schmidt, obwohl sie mit ihrer „Dramaturgie des Zuschauerraums“ mitunter Schülergruppen auch von Aufführungen abraten: „Wenn wir Schiller spielen, dann spielen wir Schiller und keinen Readers Digest“, warnt der Intendant Klassen mit geringer Sprachkompetenz. Andererseits ermutigt er, Herausforderungen anzunehmen: „Wenn wir schon Steuergelder verwenden, dann dafür, dass die Zuschauer noch nicht wissen, dass sie es mögen werden.“

In diesem Business ungewöhnlich ist das Angebot frei verkaufter Abendvorstellungen, mit denen Podt und Schmid ihre Idee vom generationsübergreifenden Theater verwirklichen. „Wir sind nicht nur auf die Schulen reduziert.“ Und manches Mal trifft der Intendant auf Erwachsene ohne Begleitung von Minderjährigen, die zugeben: „Wir verstehen nicht mehr, was am Resi oder an den Kammerspielen läuft. Deshalb kommen wir hierher.“

Festival „Schau mal!“ von Sonntag bis 15. Juni, Schauburg (und andere Spielorte)

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