Überdrehte Mördersuche

Edgar Wallace' Klassiker "Die toten Augen von London" im Blutenburg-Theater
Mathias Hejny |
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Chief Inspector Larry Holt (Martin Schülke) hat in Diana Ward (Julia Gröbl) eine anstrengende neue Assistentin.
Volker Derlath Chief Inspector Larry Holt (Martin Schülke) hat in Diana Ward (Julia Gröbl) eine anstrengende neue Assistentin.

Schrödingers Katze wird üblicherweise nicht unmittelbar mit dem Werk von Edgar Wallace verbunden. Aber in der aktuellen Produktion des Blutenburg-Theaters ist das nur in einem Physiker-Gedankenspiel existierende Tier der Running Gag und hält einen Trupp von Polizisten in einem skurrilen Maskentheater auf Trab. Man ermittelt wegen Tierquälerei, die anscheinend mit Plutonium-Schmuggel und wohl auch mit den Russen zu tun hat. Die Katze, die einen kurzen Aufritt im Mondschein hat und hingebungsvoll "Memories" singt, ist dann aber nur Schröders Katze.

Zum Beginn ihrer 40. Spielzeit sitzt der Krimibühne der Schalk im Nacken. Frank Piotraschke hat eine neue Bühnenfassung des 1929 erschienenen Romans "Die toten Augen von London" geschrieben und inszeniert, die mit der spukigen Mördersuche im englischen Nebel sehr entspannt umgeht. Krimi-Puristen könnten nicht ganz zu Unrecht die Überdosis an Klamauk bemängeln, alle anderen erfreuen sich am fast übermütigen Jux.

Schon die Handlung, die Wallace erfand, hat einen hohen Grad an Extravaganz: Hinter einer Mordserie, deren Opfer am Themse-Ufer gefunden werden und wohlhabende Männer aus Übersee sind, steckt eine Bande blinder Stadtstreicher mit Hang zu religiösem Fundamentalismus (Konrad Adam, Daniel Pink). Diesen nutzt ein verbrecherisches Brüderpaar (Martin Dudeck, Markus Fisher) für millionenschweren Versicherungsbetrug. Das ironische Grundrauschen, das Piotraschke durchweg unterlegt, ist für einen solchen Plot hilfreich.

Dazu gehört auch, dass Martin Schülke als Inspektor Holt einen komischen Gegenentwurf zu dem smarten Kriminalbeamten bildet, den Joachim Fuchsberger stilprägend in der Verfilmung von 1961 spielte. Kaum ein Satz, den er nicht unfallfrei zu Ende bringt und die feministische Frauenpower seiner neuen Assistentin Diana Ward (Julia Gröbl), die aus unserer Gegenwart in diese Fiktion von gemütvollen Sechziger Jahren hineingeweht ist, überfordert den Chief Inspector völlig. Auch der Sergeant (Florian Fisch), der ihn als Butler bemuttert, ist vor allem lästig.

Dazu gibt es eine beinahe glamouröse Showeinlage der Kriminalassistentin, die nebenberuflich in der Spelunke ihrer dominanten Ziehmutrer (Adela Florow) auftritt und ein Showdown mit Spaghetti-Western-Action, abgeschmeckt mit einem Schuss James Bond. Wahrscheinlich rotiert Edgar Wallace gerade in seinem Grab in in Buckinghamshire, aber in Neuhausen haben die Theatergänger viel Spaß mit ihm.

Blutenburg-Theater, bis 17. Februar, Di bis Sa 20, So 18 Uhr, Karten unter Telefon 123 43 00

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