Tristan Braun und Alexander Krampe über Rossinis "Barbier von Sevilla"

Die Kammeroper zeigt ab Donnerstag Rossinis „Barbier von Sevilla“ im Hubertussaal von Schloß Nymphenburg
von  Robert Braunmüller
Szenen aus dem Tristan Brauns Inszenierung von "Der Barbier von Sevilla".
Szenen aus dem Tristan Brauns Inszenierung von "Der Barbier von Sevilla". © Kammeroper

Immer Ende August bringt die Münchner Kammeroper eine neue Inszenierung im Hubertussaal von Schloss Nymphenburg heraus. Diesmal ist es Gioachino Rossinis unverwüstlicher „Barbier von Sevilla“. Tristan Braun inszeniert, Alexander Krampe hat dazu die Musik für ein Kammerensemble eingerichtet.

AZ: Herr Krampe, angeblich hat Rossini diese Oper in weniger als 20 Tagen komponiert. Merkt man das der Musik an?

ALEXANDER KRAMPE: Rossini bekam den Text sehr spät, und er war nachweislich schon nach einer Woche mit dem ersten Akt fertig. Er hat wohl nur die Gesangslinie und die Begleitung notiert. Den Rest haben Kopisten erledigt.

Und ein Schnellschreiber war er wohl auch.

So hat die Musik ihren kindlichen Zug bewahrt, der voll nur aus der Hast entsteht. Ich finde Rossinis völliges Fahrenlassen von Konzeptualität sehr tröstlich.

Haben Sie den Hubertussaal bei den Proben lieben gelernt, Herr Braun?

TRISTAN BRAUN: Mir macht es Freude, in Räumen außerhalb eines Theaters zu inszenieren. Der Hubertussaal hat keine Guckkastenbühne, die Zuschauer werden von Anfang an einbezogen. Allerdings hat ein solcher Raum mit Eigenleben auch sein Eigenheiten.

KRAMPE: Oper ist ein gediegenes Freizeitvergnügen. Es gibt keinen besseren Spielort als ein Schloss.

Warum spielt in Ihrer Bearbeitung ein Marimbaphon mit?

Rossinis Musik ist sehr dicht. Man muss darauf achten, dass nicht immer alle spielen. Mit dem Marimpaphon lassen sich Pointen setzen. Ich habe die Partitur für eine mittlere Kammerbesetzung von 12 Musikern bearbeitet. Die Marimbaphonspielerin ist Weltklasse und sie wollte bei uns mitspielen. Das war eine pragmatische Entscheidung.

Wie stark haben Sie die Oper sonst bearbeitet?

Wir haben die Arie der Berta gestrichen, die nicht von Rossini stammen soll und durch eine Nummer aus „Turco in Italia“ ersetzt, weil wir eine tolle Koloratursängerin haben. Deshalb haben wir die Figur zu einer Art Despina aufgewertet.

BRAUN: Jede Figur soll Teil des Geschehens sein. Berta ahnt, dass die Liebesgeschichte zwischen Rosina und dem Grafen nicht gut ausgehen könnte. Außerdem ist unsere Fassung zweisprachig. Wenn der Sinn der Sprache entschwebt, wird italienisch gesungen. Alles was die Handlung vorantreibt, ist deutsch – auch die Dialoge, die bei uns die Rezitative ersetzen.

Gibt es bei einer freien Produktion mit honorigen Sponsoren eine Frechheitsgrenze, die von der Inszenierung nicht überschritten werden darf?

KRAMPE: Ein Klo auf der Bühne geht nicht. Da wäre unser Publikum enttäuscht. Irgendwie muss es kulinarisch bleiben.

Herr Braun, wenn man Tristan heißt, ist es dann zwingend, dass man beruflich mit Musik zu tun bekommt?

BRAUN: Ich komme aus einer Musikerfamilie. Meine Mutter ist Sängerin. Allerdings kam ich zu dem Namen, ehe sie Wagner in ihr Repertoire aufgenommen hatte.

Wie kamen Sie zur Regie?

Ich bin sozusagen in der Oper groß geworden und habe schon als kleines Kind hinter der Bühne Blut geleckt. Der Weg zur Regie kam so ganz organisch. Ich habe dann an der Berliner Hochschule „Hanns Eisler“ studiert.

Und, Herr Krampe, wie kamen Sie als Kammeroper-Impressario auf Herrn Braun?

KRAMPE: Ich wollte Tristan Braun vor Jahren mal als Regieassistenten gewinnen. Aber es wurde nichts draus. Wir blieben in Kontakt, haben uns in Berlin getroffen und viel über Opern diskutiert. Ein Regisseur ist immer ein Griff in den Nebel. Aber ich vertraue Tristan. Er spielt Geige, er kann Musik lesen, er ist mit der Oper aufgewachsen. Und Subventionsästhetik ist auch nicht Tristans Sache.

Was ist Subventionsästhetik?

Man sieht ihr an, dass das Geld hereinkommt, ohne dass dafür Rechenschaft abgelegt werden muss. Das sogenannte moderne Theater muss ja nicht den Leuten etwas bieten, damit sie sagen, da muss ich unbedingt hin. Das lässt eine bestimmte Ästhetik entstehen, die auf den Geschmack von Dramaturgen und Intendanten hinausläuft. Es ist ein planwirtschaftliches System.

Und wie schaut also ein „Barbier“ der so genannten freien Wirtschaft aus?

BRAUN: Ich muss mich nicht von irgendetwas abgrenzen. Mich interessiert die Stärke des kleinen Formats einer Kammeroper. Mir macht es Spaß, eine Geschichte mit wenigen Mitteln zu erzählen. Und man kann mit auch mit der Schneiderin und der Requisiteurin persönlich zusammenarbeiten.

Ist die Geschichte, die der „Barbier von Sevilla“ erzählt, uns nicht sehr fern? Heute kann ein Vormund doch kein Mündel mehr einsperren?

Ja, diese Geschichte erzählt sich heute schwer. Außerdem arbeitet die Kammeroper mit jungen Sängern. Unser Bartolo ist muskulös und gut aussehend. Daher ist es bei uns mehr eine Dreiecks-Sache zwischen Rosina, Bartolo und dem Grafen, die auf die übrigen Figuren ausstrahlt. Außerdem ist der „Barbier von Sevilla“ eine Oper, die sich selbst und ihr Genre nicht ganz ernst nimmt. Damit spielen wir. Jeder ist nur mit sich selbst beschäftigt. Es ist eine sehr egoistische Figurenkonstellation. Dadurch bekommen die Figuren etwas Karikatureskes.

Premiere: Do., 25.8., 19.30 Uhr, Hubertussaal, Schloss Nymphenburg. Weitere Vorstellungen bis 18. 9. Karten: Telefon 45 20 56 121 www.kammeroper-muenchen.de

 

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