Kritik

"Tosca" im Gärtnerplatztheater: Ensemble schlägt Stars

Puccinis "Tosca" in neuer Besetzung im Münchner Gärtnerplatztheater.
Robert Braunmüller
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Oksana Sekerina als Tosca am Ende der Oper.
Oksana Sekerina als Tosca am Ende der Oper. © Christian P. Zach

München - Die Bayerische Staatsoper möbelt regelmäßig die triste Ruine einer schwachen Inszenierung von Luc Bondy mit ein paar Stars auf. Dagegen setzte das Gärtnerplatztheater 2019 das Remake einer eher schwachen Produktion aus Wuppertal und Klagenfurt.

Sie hatte bei der Premiere den zusätzlichen Schönheitsfehler, in allen Hauptrollen mit sonst am Haus nicht beschäftigten Allerweltsgästen besetzt zu sein. Was die Frage aufwarf: Braucht München wirklich zweimal Giacomo Puccinis "Tosca"?

Eine Schwäche hat das Gärtnerplatztheater nun beseitigt: Cavaradossi und Scarpia werden nun von Mitgliedern des Ensembles gesungen, und zwar, wenn die Erinnerung nicht sehr täuscht, besser als in der Premiere.

Grenzpartien für die beiden Sänger

Für beide Sänger sind das eher Grenzpartien. Denn sowohl Alexandros Tsilogiannis wie auch Matija Meić verfügen über eher lyrische Stimmen, die bei dramatischen Ausbrüchen an gewisse Grenzen stoßen.

In einem kleineren Haus ist das allerdings vertretbar. Niemand verlangt von einem Cavaradossi, die "Vittoria"-Rufe sekundenlang auszuhalten, auch wenn derlei Athletik gern bejubelt wird. Tsilogiannis fasst sich da eher kurz. Er ist in den Duetten mit Tosca eine Spur besser als in seinen Arien, wo er etwas befangen wirkt.

Sein Timbre verbindet für italienische Partien günstigen Schmelz mit etwas Metall, an einzelnen Stellen stört ein schluchzender Tonfall, den der Künstler meiden sollte. "Recondita armonia" und "E lucevan le stelle" könnte er ruhig mit etwas mehr Ausdruck und größeren gestalterischen Bögen interpretieren.

Meić singt kraftvoll und geradeheraus. Im gegebenen Rahmen reicht das für einen kompletten Scarpia, weil Stefano Podas Inszenierung den Baron nicht als brutaleren Bruder von Don Giovanni versteht und das Elegante der Figur nicht gefragt ist. Der Baron ist hier eher ein faschistischer Landsknecht.

Oksana Sekerina wirkt ohne Premierendruck musikalisch souveräner

Auch hier gilt das Gleiche wie für Tsilogiannis: In einem eher intimen Raum mit 800 Plätzen können beide Sänger dramatische Partien singen, in einem doppelt so großen Haus wäre im Interesse einer dauerhaften Karriere eher abzuraten.

Die Opulenz flutender Töne überlassen beide Herren ihrer Kollegin Oksana Sekerina, die ohne Premieren-Druck musikalisch erheblich souveräner wirkt. Die kleinen Rollen sind exzellent besetzt, der Dirigent Michael Brandstätter drängt das Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz mit Brio stets vorwärts und gestattet keine Sentimentalität.

Die im Vergleich zur Staatsoper kleinere Streicherbesetzung erweist sich in diesem Punkt als Gewinn. Mit weniger berühmten Namen und geringeren Eintrittspreisen hält sich die Aufführung absolut auf Augenhöhe mit einer durchschnittlichen Aufführung beim größeren Nachbarn, wo auch nicht jeder Stern blitzt.

Bei aller Qualität lässt die Aufführung kalt. Das liegt am geschmäcklerischen Bildertheater der Inszenierung, die wenig über Figuren erzählt und lieber ein auf Fernsicht berechnetes Ballett schwarzer Mäntel choreografiert. Dabei würde im kleineren Raum Psychologie und eine genaue Figurenzeichnung besser wirken.

Aber einen Inszenierungstausch sollten beide Häuser trotzdem nicht vornehmen. Sondern in Zukunft darauf achten, sich als echte Alternative zu verstehen. Denn jenseits von "Tosca" gibt's eine Menge interessanter Musik, die der Münchner nicht kennt, aber kennen sollte.


Wieder am 24. und 26. Juni im Gärtnerplatztheater

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