"Top Secret International (Staat 1)" von Rimini Protokoll in der Glyptothek

Die Kammerspiele gehen mit „Top Secret International (Staat 1)“ von Rimini Protokoll in die Glyptothek
Matthias Hejny |
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Die Kammerspiele und Rimini Protokoll in der Glyptothek.
Benno Tobler 3 Die Kammerspiele und Rimini Protokoll in der Glyptothek.
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Benno Tobler 3 Die Kammerspiele und Rimini Protokoll in der Glyptothek.
Die Kammerspiele und Rimini Protokoll in der Glyptothek.
Benno Tobler 3 Die Kammerspiele und Rimini Protokoll in der Glyptothek.

MÜNCHEN - Zum Beginn des Spiels baut „das System“ Vertrauen durch Zuspruch auf. „Gut machst du das“ lobt es, wenn der Besucher den zweiten Raum erreicht hat. Das System kann aber auch mit Zurechtweisung strafen, wenn der Besucher vorzeitig den Raum wechselt. „Wer hat dir gesagt, dass du weitergehen sollst?“ wird etwas zickig gefragt. Das ist einer dieser Momente, in denen sich leise die Paranoia anschleicht. Das System, so ist schnell klar, ist immer und überall. Nur am Premierentag, brach das System erst einmal für eine knappe halbe Stunde zusammen.

Vielleicht war es einfach überlastet, aber man munkelte auch von einer Cyber-Attacke. So viel Verfolgungswahn kann mit dem Thema zusammenhängen. Die Performertruppe Rimini Protokoll beschäftigt sich in ihrem jüngsten Projekt mit Geheimdiensten. Ob BND oder CIA - sie sind allgegenwärtig, ohne sich zu zeigen und sie verletzen unsere Werte, um sie zu schützen. Spionage ist „das zweitälteste Gewerbe der Welt“, erklärt das Rimini-Trio Helgard Kim Haug, Stefan Kaegi und Daniel Wetzel. Deshalb gehen sie für „Top Secret International (Staat 1)“ im Auftrag der Münchner Kammerspiele ins Museum.

Der Besucher oder, besser gesagt, Mitspieler eines technisch aufwändigen Geländespiels durch die Glyptothek erhält einen Kopfhörer und einen Notizblock. In diese rührend analoge Datenbank, die im Lauf des Rundgangs mit einem Bleistift gefüllt wird, hat man ein Smartphone operiert. In den „Dokumenten“, die mit Hilfe des High-Tech-Schreibblocks aufgespürt werden, entsteht in Interviews mit Spionen ebenso wie mit Politikern, die die Verteidigung ihres Landes betreiben, das ganze glanzlose Elend der Geheimdienstleister. Avi Primor, zwischen 1993 und 1999 israelischer Botschafter in der Bundesrepublik, fasst seine Erkenntnisse zusammen: „Ohne Geheimdienste gibt es keinen Krieg“.

Im Spione-Trainingslager Glyptothek

Beim Spionieren vor antiker Kriegsdarstellung hört man später einen Bericht eines Marco P., dessen Mission die Zerstörung von 200 Fassbomben in Libyen war. Auf dem Klo versteckt erfährt man von einem aufständischen Iraner, der in den Geheimdienst eintrat, um der Todesstrafe zu entgehen. Im Museumscafé lernt man den 360-Grad-Blick der Verfassungsschützer und tauscht mit einem anderen Agenten geheimnisvolle Zettel aus. Zur zentralen Metapher dieser begehbaren Performance wird „Der Knabe mit der Gans“. Zeigt es ein Spiel oder einen Kampf? Da ist sogar das System unsicher.

Diese Ambivalenz erstreckt Rimini Protokoll auch auf die Arbeit der Geheimdienste, und sie ist Stärke und Schwäche des Theaterprojekts zugleich. Den glaubhaft authentisch erscheinden Geschichten, erzählt in einer Umgebung aus Zeugnissen einer „versteinerten“ Vergangenheit, steht eine Spielsituation gegenüber, die auch vor Albernheiten nicht zurückschreckt. Eine der Regieanweisung lautet, sich wie der „Barberinische Faun“ zu räkeln. Ein derart auffälliges Verhalten widerspricht den Grundregeln, die der Spion-Nachwuchs im Trainingslager Glyptothek nach wenigen Schritten begriffen hat. James Bond wäre nicht gerührt, sondern hätte sich geschüttelt.  

Glyptothek, 14. 12., 13 bis 17 Uhr, 15. 12., 16 bis 22 Uhr, 16. 12., 13 bis 19 Uhr, 17. 12., 15 bis 22 Uhr, 18. 12., 12 bis 18 Uhr, Einlass bis zwei Stunden vor dem Aufführungsende, Telefon 23396600

 

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