Tom Gerhardt in "Dinner für Spinner": Die Umkehrung des Mephisto
München - Die Pudelmütze hat er längst abgelegt, aber wenn er in der Stadt unterwegs ist, wird er noch immer erkannt. Tom Gerhardt bleibt lebenslänglich der jugendliche Prolet mit dem tiefer gelegten rheinischen Dialekt.
Inzwischen macht der 66-Jährige nicht mehr Comedy, sondern Komödie: Heute ist im Bayerischen Hof die München-Premiere von "Dinner für Spinner" in der Inszenierung des Hausherrn René Heinersdorff. Dort spielt er wieder eine Nervensäge wie einst in seiner Paraderolle als Hausmeister Krause.
AZ: Herr Gerhardt, was ist aus Hausmeister Krause geworden?
TOM GERHARDT: Der gute Krause ist nach wie vor sehr stark in den Köpfen der Leute drin. Wir haben gerade noch ein anderes Theaterstück, "Hausmeister Krause – Man lebt nur zwei Mal", mit dem ich als Krause durch die Lande ziehe.
Liest man Ihre Vita, stolpert man über eine Arbeit, die Sie während des Germanistik-Studiums schrieben: "Die Sprachphilosophie des Nicolaus Cusanus". Wie kommt man vom spätmittelalterlichen Theologen von der Mosel zum spätpubertären Tommie aus Köln-Karst, mit dem Ihre Kinokarriere begann?
Der Weg war klar, denn wenn man sich so mit Sprache beschäftigt, muss man sich auch Gedanken darüber machen, wie man Sprache verballhornt. Das habe ich sehr ausführlich gemacht. Ich hatte mehrere Figuren, die eine sehr seltsame Sprache gepflegt haben. Der Tommie mit der Pudelmütze hat die Sprache reduziert auf vielleicht 100 Schlagworte.
Tom Gerhardt: "Die Comedy-Szene war früher überschaubarer"
Sie gehören zu den Gründervätern des deutschen Humors, wie wir ihn heute kennen. Haben Sie noch einen Überblick über die sehr breit aufgestellte Comedy-Szene?
Nicht wirklich. Aber ich bleibe immer wieder an etwas hängen, was mir gut gefällt. Als ich damals rauskam, konnte man das natürlich leichter überschauen. Was ich gemacht habe, war sehr ungewöhnlich, sehr schrill, sehr verrückt.
Hängt der Beginn dieser Welle auch mit dem Aufkommen des privaten Fernsehens zusammen?
Das könnte man sagen. Da ging natürlich mehr als bei den Öffentlich-rechtlichen. Doch was mich wirklich an die Öffentlichkeit brachte, war ein Auftritt beim WDR in Jürgen von Lippes Show "So isses". Dort zeigte ich die Parodie eines rheinischen Voll-Asis, der stotternd die Handlung eines Rambo-Films nacherzählt. Eben auf seine Art. Die Hälfte der Leute haben sich weggeschrien vor Lachen, weil es so authentisch war, und die anderen waren völlig entsetzt und fragten, wie man so etwas überhaupt im Fernsehen zeigen kann. Ab diesem Tag war ich immer ausverkauft.
Tom Gerhardt: Ein Fan von René Heinersdorff
René Heinersdorff soll lange um Sie geworben haben, um Sie auf eine Theaterbühne zu bringen. Wie hat er das geschaft?
Lange musste er es nicht versuchen. Es war eher umgekehrt. Ich hatte zwei seiner Stücke gesehen, in denen er selbst mitgespielt hat, und er hat meine Frau, meine betagte Mama und mich sehr zum Lachen gebracht. Ich hatte zehn Jahre nicht auf der Bühne gestanden, wo ich ja herkomme. Die Bühne ist die Mutter aller Dinge. Der Reiz der Bühne ist, dass man das Adrenalin, das man verschießt, sofort an Ort und Stelle zehnfach zurückbekommt.
Der Spinner, den Sie spielen, heißt in dieser Textfassung Matthias Bommes. Wie tickt er?
Er ist der Trottel-Terminator: Eine schlicht denkende Figur, sehr liebenswert, aber die Umkehrung des Mephisto. Der wollte immer das Böse und hat das Gute geschaffen, und Matthias Bommes will immer das Gute und richtet Unheil an. Leute, die immer alles richtig machen wollen, können sehr lästig sein. In meinen Rollen, die nicht immer schön anzusehen sind, aber komisch, kann ich nicht konkurrieren mit dem jungen Liebhaber oder dem tolle Piraten, aber sie haben eine Langzeitwirkung. Das hat den Vorteil, dass man sie über Jahrzehnte spielen kann.
Tom Gerhardt: "Hier siegt am Ende David über Goliath"
Sie sind eigentlich jetzt erst in dem Alter, in dem man sich einen Hausmeister Krause vorstellt.
Ich war früher zu jung, habe ihn aber alt gespielt. Man kann mit Krause gut alt werden.
In diesem Stück geht es um ein Abendessen unter Freunden, zu dem die Teilnehmer einen Gast mitnehmen können, den sie für einen Idioten halten. Ist das – um zwei Ihrer Filmtitel zu zitieren – "voll pervers" oder auch in unserer um politische Korrektheit bemühte Gegenwart noch "ganz normaaal"?
Francis Veber, der Autor, berichtete einmal, dass er tatsächlich zu einem solchen Abend eingeladen war. Das war aus der Rock'n'Roll-Szene, die sich gerne so progressiv und mit Charity-Konzerten menschenfreundlich gibt, aber auch sehr zynisch sein kann. Natürlich ist so etwas selten, aber es gibt zumindest Vergleichbares. Der wohlhabende und eloquente Verleger mit seinen dekadenten Gesinnungsgenossen kann eigentlich nur der Gewinner sein. Aber hier siegt am Ende David über Goliath, auch wenn er selbst das gar nicht bemerkt.
Komödie im Bayerischen Hof, Premiere am Donnerstag (4. Mai), weitere Vorstellungen bis 25. Juni, 19.30 Uhr, sonntags 18 Uhr, Telefon 089/29161633