Kritik

Tirol und Taliban: Thomas Maurer in der Lach- und Schieß

Thomas Maurers Solo "Zeitgenosse aus Leidenschaft" in der Lach- und Schießgesellschaft.
von  Mathias Hejny
Der Kabarettist Thomas Mauer.
Der Kabarettist Thomas Mauer. © Ingo Pertramer

Endlich rührt sich wieder was im "Laden". Der Zuschauerraum und die Bühne haben sich nicht verändert, aber in den Toilettenräumen blitzt und blinkt es neu gefliest. Der Neustart nach Umbildung des Leitungsteams, Corona und Renovierung fand in aller Stille statt: Das Hausensemble der Lach- und Schießgesellschaft zeigte einige Vorstellungen des aktuellen Programms "Aufgestaut" und das Gastspielprogramm eröffnete anschließend an zwei Abenden der Österreicher Thomas Maurer mit seinem Solo "Zeitgenosse aus Leidenschaft".

Der benötigt wenig und kann mit einem Stuhl auf ansonsten leerer Bühne welthaltiges Kabarett machen. Corona kommt erst spät vor und der Weg dorthin ist historisch kurvenreich, obwohl sein Vater ganz unmittelbar in der ersten und sehr schleppenden Phase der Impfkampagne 79-jährig am Covid-Virus starb. Wut und Trauer verarbeitet Maurer mit einem Ausflug ins aufständische Tirol des 19. Jahrhunderts, als Andreas Hofer einen katholisch-fundamentalistischen Kampf nicht zuletzt gegen die Pockenimpfung führte.

Maurers Kleinkunst: Die Komik in den unerfreulichen Themen

Da ist man schnell bei den Taliban, die auch Bärte und seltsame Kopfbedeckungen tragen. Und noch schneller ist man am aktuellen Zustand der europäischen Aufklärung zwischen Mumienpulver und Globuli. Das Größte an Maurers Kleinkunst ist die Komik, die er in seinen überwiegend unerfreulichen Themen entdeckt. Das gilt auch für die schier endlosen Gewerbegebiete in der Wiener Umgebung ("So sieht das Anthropozän aus, wenn der Baumeister der Schwager vom Bürgermeister ist").

Der Vergleich zwischen der Hochkultur der Azteken, zu der allerdings auch blutige Menschenopfer gehörten, und den Folgen unserer postindustriellen Gesellschaft geht unentschieden aus: "Wir sind schädlicher, aber netter." Wobei die vielen Toten, die der Ritus Fußball-Weltmeisterschaft in Katar schon jetzt gefordert habe, diese Bilanz relativierten. Was zunächst als gesellschaftspolitischer Gemischtwarenladen erscheint, ist faszinierend "woke", wie Maurer es im Hinblick auf die kommende Generation sagen würde.

Immer wieder überraschend zieht der "alte weiße Gutmenschensack" gleich mehrere rote Fäden durch den Abend, die auch seine Zeit als blackgefaceter Sternsinger, seine Zuneigung zu Leberkässemmeln oder die österreichische Innenpolitik ("viel lustiger als die deutsche") in den ganz großen Zusammenhang des Irrationalen bringen. Dabei gendert er gnadenlos und abendfüllend: "Gegenderte Sätze sind wie Windkraftparks: Nicht schön anzusehen, aber ganz ohne wird es auf die Dauer nicht gehen."

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