Tim Pröse über Jan Fedder
Hans Albers, Helmut Schmidt, Harry Rowohlt – das sind die einzigen Männer, die Jan Fedder das Wasser reichen können, wenn es darum geht, die Stadt Hamburg zu verkörpern. Jan Fedder dürfte mit gesundem Abstand von allen der beliebteste gewesen sein. Für Fernseh-Deutschland ist er der Norddeutsche schlechthin. Das Leben des Volksschauspielers hat Tim Pröse nun in der Fedder-Biografie „Unsterblich“ aufgeschrieben.
Sie fußt auf rund 25 Stunden, die Fedder in den letzten Monaten vor seinem Tod mit Pröse gesprochen hat – an den Orten, die das Leben des Schauspielers prägten: seine Wohnung auf St. Pauli, sein Bauernhof in Schleswig-Holstein (einen Steinwurf vom Metal-Pilgerort Wacken entfernt übrigens), den Drehort vom „Großstadtrevier“ und das Krankenhaus.
Der hamburgischste aller Hamburger
Hamburg und Fedder sind untrennbar miteinander verbunden. Wie sollte es auch anders sein: In Hamburg geboren – dort, wo heute der Bau des Verlags Gruner & Jahr steht, stand die Kneipe, die Fedders Eltern betrieben haben. Als Chorknabe sang er im Hamburger Michel, er nahm erst Ballett- und später Schauspielunterricht, machte eine Kaufmannslehre auf Wunsch des Vaters, hatte wilde junge Jahre als Schauspieler, unter anderem in Esslingen. Nach einigen kleineren Rollen wurde er als Brückenmaat Pilgrim in Wolfgang Petersens Kriegsdrama „Das Boot“ bekannt.
Während seine „Boot“-Kollegen wie Herbert Grönemeyer, Heinz Hoenig, Klaus Wennemann und Jürgen Prochnow Karriere machten, folgte für Fedder eine Durststrecke – bis er dann 1991 der Dirk Matthies in der ARD-Vorabendserie „Großstadtrevier“ wurde, eine Rolle, die er bis kurz vor seinen Tod im Dezember 2019 spielte.
Es war die Rolle seines Lebens, eine ganze Generation ist mit dem rumpelnd-gutmütigen Polizisten aufgewachsen. Fedder wurde Ehrenkommissar bei der Polizei in Schleswig-Holstein, in Hamburg und sogar in Bayern.
Ziemlich in seinem Gestern
Ab 1997 war er zudem der immer wieder triumphierend scheiternde Bauer Brakelmann in der norddeutschen Komödienserie „Neues aus Büttenwarder“. Später hat er noch die Hauptrolle in einigen Verfilmungen von Siegfried-Lenz-Büchern gespielt und dafür viel Lob erhalten. Für „Der Mann im Strom“ gab es 2006 gar den Deutschen Fernsehpreis.
Weite Teile des Buches sind O-Ton Fedder – kapitellang. Das ist das Hauptproblem dieser Lebensbeschreibung: Sie entstand in Fedders Auftrag und wurde von ihm autorisiert. Und so liest sie sich auch weitgehend etwas brav und bewundernd. Ganz selten äußert sich Pröse kritisch über den Volksschauspieler. Einige Male immerhin stellt Pröse fest, dass Fedder ziemlich missgünstig auf den Erfolg einiger Kollegen blickt. Dass er sich für besser hält als viele seiner Kollegen. Und dass dieser Mann „ziemlich in seinem Gestern“ lebt. Diesen Eindruck erhält man auch, wenn man Fedders eigene Worte liest.
Die Biografie dreht sich immer wieder um die gleichen Dinge: „Das Boot“ und das viele Wasser, das Fedder abgekommen hat, der Rocker mit großem Herz, „Großstadtrevier“, Hundeblick und bebende Nasenflügel, seine ausgeprägte Sammelleidenschaft – und natürlich: Hamburg. Der Hamburger Jung. Nase im Wind und so weiter.
Kunst aus Klorollen
Immerhin, man erfährt auch: Die Mutter war gefühlskalt, erst kurz vor ihrem Tod hat sich Fedder mit ihr ausgesöhnt. Überraschend: Fedder hatte in seiner Hamburger Wohnung einen Altar, an dem er manchmal zu Gott betete. Weitere Überraschung und in Zeiten der Corona-Klopapier-Not besonders lustig: das Bad in dieser Wohnung. Dort gab es „nicht bloß eine Klorolle, nein, es sind siebenundzwanzig. Allesamt hübsch mit honiggelbem Klopapier bestückt. Denn Kunst, so erklärt es der Meister, entsteht aus Wiederholung einer Sache. Eine Klorolle allein ist profan, siebenundzwanzig über- und nebeneinander könnten was für die nächste documenta sein.“
So tiefgründig, wie es im ersten Kapitel angekündigt wird, waren die Gespräche vielleicht dann doch nicht. Fedder, so lernt man, drehte sich sehr um sich selbst. Und natürlich Marion, seine große Liebe. Eine gemeinsame Wohnung gab es aber nicht. Fedder brauchte seinen Rückzugsort.
Das große Herz
Ab und zu werden Pröses Assoziationen etwas wild. Zum Beispiel, wenn er beim Besuch in Fedders Hamburger Kiez-Wohnung die Wände mit den Erinnerungsfotos von Fedders Karriere betrachtet: „Und alle hat er sorgfältig eingerahmt. Ausgerechnet er, der Rahmensprenger, der das Maßlose und Grenzenlose so liebt. Und dann hat er diese eingerahmten Momente auch noch festgenagelt. Schon wieder ausgerechnet er! Dieser Typ, der sich nie festnageln ließ und lässt.“
Auch wenn man Jan Fedder bei der Lektüre dieser Biografie nicht wirklich näher kommt: Das große Herz glaubt man ihm sofort. Und bei der Schilderung der Beerdigung im Hamburger Michel ist man ergriffen: Die Stadt verabschiedet sich mit gigantischem Aufwand von einem ihrer liebsten Söhne.
Und so liest man die rund 250 Seiten durchaus lächelnd in Erinnerung an die vielen Bildschirm-Momente (und die vielen Zitate aus seinen Rollen), die man Jan Fedder verdankt. Feddich!
Tim Pröse: „Jan Fedder. Unsterblich“ (Heyne, 256 Seiten, 22 Euro)
- Themen:
- Helmut Schmidt
- Polizei