Thomas Schmauser über den Wechsel ans Staatsschauspiel

Keep on rollin‘: Thomas Schmauser über seinen Weggang von den Kammerspielen und seinen Einstand im Ensemble des Residenztheaters in Michael Thalheimers Inszenierung von Shakespeares „Richard III.“
von  Michael Stadler
Thomas Schmauser als Buckingham (hinten), Norman Hacker als Richard III. vorn.
Thomas Schmauser als Buckingham (hinten), Norman Hacker als Richard III. vorn. © Mathias Horn

Es war zuletzt eine sehr bewegte Zeit für Thomas Schmauser, ein Hin und Her zwischen Bühnen und Drehorten, ein Abwägen von Argumenten, bis er eine Entscheidung für sich fällte. Als Angelpunkt erwies sich dabei das teuerste Pflaster Münchens, jene Luxusmeile, an der er schon während seiner Ausbildung an der Otto Falckenberg Schule gelegentlich entlang flanierte: die Maximilianstraße.

„Es war wirklich absurd“, meint Schmauser beim Gespräch in der Kantine des Residenztheaters. „Vor den Sommerferien hatte ich Endproben in den Kammerspielen. Im Sommer spielte ich Rudolph Moshammer vor der Kamera, saß im Rolls Royce auf der Maximilianstraße und wurde von Touristen abfotografiert. Das war richtig übergriffig, die liefen neben dem Auto her und filmten. Dann kam die Spielzeiteröffnung an den Kammerspielen mit ,On The Road‘. Und jetzt arbeite ich auf der anderen Straßenseite im Resi. Und denke mir: Ja, bin ich denn der Straßenfeger von der Maximilianstraße?“

Seinen Humor hat Thomas Schmauser nicht verloren, obwohl er die vergangenen zwei, drei Jahre als die schwersten seiner beruflichen Laufbahn bezeichnet. Seit 2007 gehörte er zum Ensemble der Münchner Kammerspiele, nachdem er zuvor unter anderem am Niedersächsischen Staatstheater in Hannover und dem Thalia Theater in Hamburg gespielt hatte. Die Kammerspiele waren schon während seiner Zeit an der Otto Falckenberg ein Traumziel gewesen: „Für mich war das DIE Bühne. Ich hatte dort meine erste Rolle bei einer Uraufführung eines Stücks von Kroetz. Dort wollte ich hin.“

Kränkung nach dem Intendantenwechsel

Als es mit den Kammerspielen klappte, war Frank Baumbauer noch Intendant. Von 2010 bis 2015 leitete Johan Simons das Haus – für Schmauser „die besten Jahre, die ich jemals am Theater hatte, sowohl künstlerisch wie menschlich. Durch ihn war der Traum, den ich von dem Beruf hatte, total erlebbar. Ich habe als Schauspieler und Regisseur gearbeitet. Ich habe für Susanne Kennedy die Textfassung zu „They shoot horses, don’t they?“ geschrieben. Ich habe mich völlig frei als Künstler gefühlt. Die Regisseure haben mit den Leuten gearbeitet, auf die sie Lust hatten und umgekehrt.“

Als Johan Simons aus privaten Gründen die Kammerspiele verließ und Matthias Lilienthal Intendant wurde, wollte Schmauser an den Kammerspielen bleiben, weil er sich den Räumen des Theaters, der Stadt München, den Kollegen, die mit ihm am Haus blieben, verbunden fühlte, neugierig war. „Ich machte dabei den Fehler, dass ich das, was ich mit Johan Simons hatte, wiederfinden wollte. Das ist wie in der Liebe, das funktioniert einfach nicht.“ Die Regieambitionen Schmausers waren nicht mehr gefragt; er fühlte, „dass ich jetzt wieder wie ein normaler Schauspieler arbeiten muss. Das war eine Kränkung, eine Enttäuschung. Für mich ging die Nähe verloren, die die Arbeit mit Johan ausgemacht hat. Aber natürlich muss man neuen Leuten zugestehen, dass sie etwas Neues machen wollen.“

Mit Matthias Lilienthal hat Thomas Schmauser sich gut verstanden, „mit ihm kann man sehr gut reden, er ist jederzeit für einen da. Für mich als Schauspieler ist aber eher die Zusammenarbeit mit den Dramaturgen und Regisseuren entscheidend.“ Wo es genau hakte, möchte er nicht öffentlich machen. Tiefpunkt war aber die letztlich abgesagte Inszenierung von „Unterwerfung/Plattform“ nach dem Romanen Michel Houellebecqs, der Umgang der Kammerspiele mit dem Regisseur Julien Gosselin, der nach ein paar Probenwochen die Produktion verließ. „Julien war Spitze. Er hat sehr intensiv mit uns geprobt. Das waren stundenlange Proben, in denen er nur Atmosphären kreierte.“

Kein Mann der Trends

Katja Bürkle und Anna Drexler, die an dieser Produktion teilnahmen, entschlossen sich später, die Kammerspiele zu verlassen, wobei das für Thomas Schmauser wenig relevant ist: „Ich fälle meine Entscheidungen nie aufgrund eines Trends. Ich würde zur Not alleine an einem Theater bleiben, wenn ich mich darin wohl fühle.“ Seine letzten Erfahrungen an den Kammerspielen bezeichnet er als glücklich: „Ich fand die Arbeit mit David Marton toll. Da habe ich gemerkt, wie das an den Kammerspielen sein kann.“ Ist dann sein Verlassen des Ensembles doch überstürzt, zu früh?

Nein, meint er, ein langer Entscheidungsprozess liege hinter ihm. Und schaut man genauer hin, darf man sich schon wundern, dass nicht nur Sympathiefiguren des Ensembles gegangen sind, sondern auch Hausregisseur Nicolas Stemann und Chefdramaturg Benjamin von Blomberg, die gerade die Handschrift der Kammerspiele entscheidend mitprägen und für den Zusammenhalt des Hauses mitverantwortlich sein sollten, sich aber am Zürcher Schauspielhaus bewarben und ab 2019 als Intendanten-Duo dort arbeiten werden. Ein Karriereschritt – nachvollziehbar. Aber zur richtigen Zeit?

Dass jede Seite für sich argumentieren kann – keine Frage. Die Vorstellungen von Theater, vom Beruf des Schauspielers sind nun mal unterschiedlich. Die Zeiten ändern sich, das weiß auch Thomas Schmauser. Und loslassen fällt nicht leicht. Aber er beklagt doch eine Entwicklung, die derzeit auch hinsichtlich der Berliner Volksbühne diskutiert wird: „Das Auffällige für mich ist, dass da ein Theaterkörper existiert, der wegen eines neuen Konzepts einfach links liegen gelassen wird. Das kann man Chris Dercon gar nicht vorwerfen, sondern den Politikern, die diese Entscheidungen treffen. Wisst ihr eigentlich, wen ihr auf welche Positionen besetzt? Man hat den Eindruck, dass Theater von außen als Entwurf wahrgenommen wird, so, wie man heute über Unternehmensideen nachdenkt. Man spricht aber weniger mit den Aktiven. Für mich hat das Theater an Intimität verloren, die Beziehungen sind nicht mehr so nah wie früher. Theater ist aber ein soziales Ding. Es sollte doch nicht vor allem um den Erfolg gehen, sondern um das künstlerische Zusammenarbeiten. Der Erfolg stellt sich doch oft unverhofft ein, genau dann, wenn alle mit Hingabe an einer Sache arbeiten.“

Akzeptieren, dass jemand etwas anders sieht

Mit der kritischen Berichterstattung über die Kammerspiele unter Matthias Lilienthal, die teilweise kampagnenhafte Züge trugen, hatte Schmauser überraschenderweise kein Problem: „Ich finde es mutig, wenn ein Kritiker oder eine Kritikerin ihre Meinung sagt, ohne darüber nachzudenken: Wie werde ich gesehen, konservativ oder punkig. Ich finde viel mehr die Reaktion darauf schlimm: Wenn ich wirklich weiß, was ich mache, kann ich doch total akzeptieren, dass jemand das anders sieht.“

Dass er jetzt am Residenztheater gelandet ist, einem Haus, das mit seiner – ja, konservativen? – Ausrichtung auf Stücke und Sprache mitunter ebenfalls kritisiert wird, sieht Thomas Schmauser als Möglichkeit, „mich und diesen Beruf noch mal neu zu überprüfen.“ Ein Vorsprechen war nicht notwendig. Martin Kušej hatte ihn schon einige Male auf der Bühne gesehen, beide kennen sich aus Hamburger Zeiten, als Schmauser im Ensemble des Thalia Theaters war und Kušej dort inszenierte.

In Michael Thalheimers Inszenierung von „Richard III“ feiert Schmauser nun seinen Einstand im Resi-Ensemble, wobei er als Herzog von Buckingham eine Nebenrolle spielt. Was er angenehm findet. „Ich möchte jetzt gar nicht so viel Druck haben. Ich muss mich ja erst zwischen den anderen Ensemblemitgliedern zurechtfinden.“ Als Buckingham ist er der Gehilfe von Richard III., der von Norman Hacker gespielt wird: „Ich habe zu Norman gesagt, mein Traum wäre, dass ich nur einen Aspekt seines Charakters spiele. Nur diese Hingabe, dieser Versuch, dem Bösen ganz nahe zu sein.“

Die Landschaft verändert sich

Welche weiteren Rollen Thomas Schmauser am Residenztheater spielen wird, weiß er noch nicht. Da er nach „On The Road“ spät einstieg, ist vieles schon besetzt und verplant. Er nimmt es gelassen. Und schwärmt von seiner Erfahrung mit dem Moshammer-Film, der vermutlich im Herbst 2018 im Ersten ausgestrahlt wird. „Ich fand Moshammers Körperlichkeit immer faszinierend, wie unkonform er sich präsentiert hat. Ich empfinde sein Auftreten als sehr sexualisiert, diese Posen, der Hund, die Frisur. Ich bilde mir nicht ein, dass ich mich in ihn verwandelt habe, aber die Attribute dieser Körperlichkeit konnte ich ausprobieren. Es war erschreckend, wie plausibel sich sein Verhalten für mich angefühlt hat. Durch diese Maske konnte er sich einen Raum schaffen, dahinter lag eine große Einsamkeit.“

Auf der Maximilianstraße hat er Moshammer einst hin und wieder gesehen, wie der hinter dem Schaufenster seiner Boutique stand, ihm zuwinkte. Ohne Moshammer ist das Leben auf der Maximilianstraße ärmer geworden. Mit Thomas Schmauser haben die Kammerspiele einen großen herzhaften Schauspieler verloren. Aber Zurückblicken bringt nichts, auf allen Seiten: „Man muss immer weitermachen, keep on rollin‘. Die Landschaft wird sich verändern. Und eines Tages werden wir rausgucken und sagen: Wahnsinn, was für schöne neue Landschaften, hätten wir nie gedacht.“

Richard III., Premiere heute im Resi, 18 Uhr, Karten 2185 1940 und evtl. an der Abendkasse

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