Thomas Hermanns über "Bussi - das Munical" und die Wilden Achtziger
Hier treffen Kreative auf Latte-Macchiato-Mütter. Nachts schwärmen junge Leute in die zahlreichen Bars, Kneipen und Clubs aus. Das Glockenbachviertel ist ein moderner Münchner Mythos. Und mittendrin steht das leider noch nicht fertig sanierte Gärtnerplatztheater.
Aber wie begann das alles? Thomas Herrmanns war in den wilden Achtzigern in München dabei. Diese Ära lebt in „Bussi – Das Munical“ wieder auf. Mit den größten Hits der Neuen Deutschen Welle. Die Produktion des Gärtnerplatztheaters hat am heutigen Samstag um 19.30 Uhr ihre Premiere in der Reithalle.
AZ: Herr Hermanns, es ist kein Geheimnis, dass „Bussi“ autobiografische Züge trägt. Erzählen Sie mal!
THOMAS HERMANNS: Meine Liebe zum Musiktheater entstand am Gärtnerplatz. Hier habe ich zum ersten Mal aufwendige Stücke mit großem Orchester und vielen Kostümen gesehen. Als Student verdiente ich mir Geld dazu – ich war braver Operettenstatist.
Waren das große Auftritte?
Da musste ich Plastikgläser mit Champagner an Operetten-Diven wie Tamara Lund in der „Lustigen Witwe“ vorbeitragen. In der Oper „Periander“ von Theodore Antoniou waren wir am ganzen Körper alle grau angemalt. Auch der Schriftsteller Hans Pleschinski war dabei. Wir hatten beide große Schwierigkeiten, die Farbe wieder runterzubekommen. Trotzdem haben wir uns die Liebe zur atonalen Oper bewahrt.
Und dann ging es hinaus ins Nachtleben...
Das war zwei Häuser weiter: ein New Wave Lokal als Gegenwelt. Oder auch nicht. Denn es war auch Operette: bunte Leute, ähnlich angezogen wie die Damen und Herren des Chors im Gärtnerplatztheater. Aber mit einem Soundtrack von den Eurythmics oder Boy George.
Wie hieß dieses Lokal?
Das „Tanzlokal Größenwahn“ in der Klenzestraße. Es war ein Zentrum des New Wave. Später war dort das Morizz drin, das es heute auch nicht mehr gibt.
Was war das Tolle an den Achtzigern?
Wenn München das noch hätte, was es damals gab – bezahlbare Wohnungen und Freiraum für Künstler –, dann wäre die Stadt mit seiner Lebensqualität weltweit unschlagbar. Vor 30 Jahren gab es hier eine starke, polysexuelle Untergrund-Community, die auch heute noch modern aussieht.
Aus welchem Grund?
Man musste einen bestimmten Stil haben, um durch die Tür zu kommen. Aber es war nicht wie beim P1, wo es auf das Geld ankam. Im „Größenwahn“ musste man kreativ sein – als Schauspieler oder Performer. Oder aus Second-Hand-Klamotten was genäht oder getackert haben.
Was machte damals einen guten Club aus?
Dass er ein geschützter Raum war, in dem man blühen konnte. Heute sind wieder ähnliche Sachen im Schwange: das Gender-mäßige, alle sexuellen Spielarten, aber auch Männer und Frauen. Die Schwulenkneipen, in die Frauen nicht reindurften, fanden wir doof.
Die Achtziger waren auch die Zeit von Peter Gauweiler.
Draußen war viel Druck. Es gab die Schwarzen Sheriffs, Helmut Kohl und Ronald Reagan. Und die Nachrüstung. Aids kam langsam. Es gab einen großen Unterschied zwischen der Nacht in unserer kleinen Familie und dem Tag am Stachus. Das wird man in meiner Show sehen, wenn alle plötzlich vor der Loden-Fraktion stehen.
Und warum spielt Marianne Sägebrecht mit?
Sie war damals unsere Untergrundmutter, die uns mit Jobs und Suppe versorgt hat. Später wurde sie durch „Out of Rosenheim“ unser Star in Hollywood. Sie verkörpert die klassische gute Seite der bayerischen Toleranz. Deshalb bin ich sehr glücklich, dass sie in der Aufführung mitmacht.
Ist das nicht ein Jammer, dass Sie wegen des Umbaus nicht hart am Originalschauplatz spielen können?
Wir haben die Reithalle in einen Club verwandelt. Der Zuschauer soll sich mittendrin fühlen und wird auch von den Darstellern ins Geschehen involviert werden. Das ginge im Theater nicht –wir müssten im Keller spielen oder in einem Zelt auf dem Platz. Wenn die Renovierung schon abgeschlossen wäre, hätte ich alles gleich wieder runtergerockt.
Am Rand der Bühne steht eine Rakete. Was macht die da?
Sie ist Teil einer Performance. Es ist eine Pershing. Gegen die Stationierung dieser US-Rakete protestierte damals die Friedensbewegung. Damals wurde die Bar zur Bühne, mit einem politischen Aspekt, weil die Macher der Nachtlokale aus der 1968er-Szene kamen. Die Grenzen zwischen Spaß, Tanzen, Kunst und Politik waren fließend. Und das Theatralische dieses Nachtlebens passt sehr gut zu einer Show wie „Bussi“.
Was haben Sie damals tagsüber gemacht?
Ich wollte in die Regieklasse von August Everding an der Musikhochschule und habe dafür einen Sommer lang Gehörbildung geübt. Bei der Aufnahmeprüfung verwechselte ich leider Lessings „Minna von Barnhelm“ mit Kleists „Kätchen von Heilbronn“. Damit war meine Theaterkarriere vorerst beendet.
Wie haben Sie es geschafft, aus diesem Milieu herauszukommen und ein Star zu werden?
Über New York. Da habe ich beschlossen, was ich machen will im Leben: Shows zwischen E und U. Aber ich gehe heute noch gerne aus. Ich lebe in Berlin, und da kann man an jedem Tag der Woche versacken, wenn man möchte.
Sind Sie mit dieser Show an den Intendanten Josef E. Köpplinger herangetreten oder er an Sie?
Ich habe ein Interview mit ihm gelesen und festgestellt, dass wir dieselben Sachen schätzen. Er ist ein Mann nach meinem Geschmack. Dann habe ich mir einen Termin geben lassen und das Köfferchen mit meinen Ideen vor ihm ausgebreitet.
Was war außerdem drin?
Die „Schöne Helena“ von Jacques Offenbach. Heute wird der anarchistische Kern der Operette wieder entdeckt, und das reizt mich.
Vermissen Sie das Fernsehen?
Ich wollte mir immer lieber Shows ausdenken, als sie zu moderieren. Ich habe das beim „Quatsch Comedy Club“ nur gemacht, weil mir niemand anderer einfiel. Ich hatte auch nie ein Solo-Programm. Ich bin kein Tier, das auf der Bühne lebet und stirbt.
Premiere Sa., 19.30 Uhr in der Reithalle. Fast täglich bis 17. Juli, Karten unter Telefon 2185 1960