"The Rape of Lucretia" von Benjamin Britten in der Reaktorhalle

Mit Erlösungssenf: Die Opernklasse zeigt Benjamin Brittens Kammeroper "The Rape of Lucretia" in der Reaktorhalle
Robert Braunmüller |
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"The Rape of Lucretia", 2. Akt/ 2. Bild: "To love as we loved was to die": Luise Höcker und Martin Burgmair.
Monika Eberle/HMTM "The Rape of Lucretia", 2. Akt/ 2. Bild: "To love as we loved was to die": Luise Höcker und Martin Burgmair.

In der Münchner Hochschule für Musik und Theater ist sexuelle Gewalt gegenwärtig ein heißes Eisen: Ein ehemaliger Rektor steht wegen Übergriffen vor Gericht. Dass die Opernklasse nun ausgerechnet „The Rape of Lucretia“ zeigt, in der ein Mächtiger glaubt, alle Frauen seien Freiwild, ist natürlich nur ein Zufall. Und am Ende der zweistündigen Aufführung fragt man sich allerdings auch, ob das Werk für eine Auseinandersetzung mit diesem Thema noch taugt.

Regisseurin Waltraud Lehner bemüht sich in der Reaktorhalle redlich um die Widersprüche von Benjamin Brittens Kammeroper: Tarquinius scheint Lucretia leidenschaftlicher zu begehren, als es unter landläufigen Vergewaltigern üblich ist. Oper wie Inszenierung lassen die Unterscheidung zwischen Tätern und Opfern verschwimmen. Dass am Ende noch viel (pseudo-)christlicher Erlösungssenf auf die Geschichte geschmiert wird, störte bereits Beobachter der Uraufführung in Glyndebourne, und dieser Aspekt ist trotz des musikalisch großartigen Schluss-Ensembles nicht unproblematischer geworden.

An einem normalen Theater müsste man von der Regie eine Haltung zu diesen Fragen einfordern. Aber eine Aufführung mit Studierenden ist eben keine normale Aufführung. Man muss sich damit begnügen, aus dem Programmheft zu erfahren, dass man sich bei den Proben mit der Problematik des Werks auseinandergesetzt hat.

Entscheidend ist: Die Opernklasse hat exzellente Sänger für die kommentierenden Solo-Partien des Male und Female Chorus. Eric Price interpretiert seine Rolle mit Geschmack, exzellentem Englisch und viel nobler lyrischer Kraft. Iris Marie Sojer steht ihm da in nichts nach. Luise Höcker singt und spielt die Titelrolle mit angemessener Kühle. Die drei tiefen Männerstimmen von Carl Rumstadt (Tarquinius), Martin Burgmair (Collatinus) und Manuel Adt (Junius) lassen sich nicht leicht auseinanderhalten: Das ist ein Problem der Inszenierung und ihrer Hipsterbärte. Aber es spricht letztlich auch für die kernige Macht ihrer Stimmen.

Es gibt ein modisches Video. Männliche Gewalt illustriert eine blinkende Kettensäge mit Wolfsgesicht über der Bühne. Das Arcis Ensemble unter Ulrich Nicolai tönt kristallin, kühl und präzise. Dass hin und wieder das Notenpapier grau raschelt, liegt an Britten. Die zentrale Szene zwischen Tarquinius und Lucretia hinterlässt noch immer einen starken Eindruck. Und so lange sich nicht herumgesprochen hat, dass Nein auch Nein heißt, wird die Kunst immer wieder auf das Thema Vergewaltigung zurückkommen. Aber vielleicht etwas entschiedener, als es diese Aufführung szenisch tut.

Wieder am 10., 12., 14. und 15. Mai, 19 Uhr, in der Reaktorhalle, Luisenstraße 37a

 

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