Teilnahmslos durch den Zeittunnel gespült

Ewald Palmetshofers Generationenschlacht „räuber.schulden- genital“ am Marstall  
von  Mathias Hejny

Ewald Palmetshofers Generationenschlacht „räuber.schulden-genital“ am Marstall

 

Es gab einmal Zeiten, da wünschten Eltern ihrem Nachwuchs nur das Beste: „Ich will, dass es meinen Kindern in Zukunft besser geht als mir“, hieß es in vielen Lebensentwürfen. In der Zukunft, die die aktuelle Demografie entwirft, wird es keiner Generation besser gehen als den Alten von heute. Und, so schiebt der österreichische Dramatiker Ewald Palmetshofer satanisch grinsend hinterher, verzocken die Alten lieber ihren Reichtum als ihn zu vererben.

Sogar beim Sex haben Mutti und Vati noch immer mehr Spaß als ihre lebens- und lustunfähige Brut, die keine Chance mehr oder auch einfach nur nicht die Absicht hat, für ihr Geld selbst zu arbeiten. Die primären Geschlechtsorgane der Vorfahren werden zu Schuldenfallen. „räuber. schuldengenital“ verweist darüberhinaus auf Friedrich Schillers „Die Räuber“. Franz und Karl heißen auch hier die ungleichen Brüder. Unverblümt stellt Karl die Forderung an die Eltern: „Ich hätt gern, Vater, Mutter,/ heut das Geld der Zukunft schon“.

Für seine Inszenierung ließ Alexander Riemenschneider von Bühnenbildnerin Rimma Starodubzeva ein schwarzes Geviert mit angekokelten Holzstückchen füllen. Auch der hohle Baum, der zu Beginn zu einem gespenstischen Maibaum erigiert, ist Opfer eines Brandes. Hier war offenbar das Feuer aus dem Schillerschen Schauspiel auf Palmetshofers Stück übergesprungen. Unbeschadet blieb nur ein Treppenlift, auf dem Nachbarin Edith (Renate Jett) mangels eines weiteren Stockwerks nur seitlich am hinteren Bühnenrand entlang schwebt.

Da der Autor aber seinen Text als Gegenwart und Zukunft einebnende Zeitschleife einrichtete - was sich dem Zuschauer nur nach Lektüre des Werks oder des Programmhefts erschließt - kann die Feuersbrunst bereits vor der Handlung geschehen sein. So, wie auch der Vater Otto (Arnulf Schumacher) und Mutter Linde (Ulrike Willenbacher) nach ihrer Ermordung durch die Räuber Karl (Miguel Abrantes Ostrowski) und Franz (Sierk Radzei) dank des Zeittunnels sich wieder ihrer unverwüstlichen Gesundheit erfreuen. Oder wie das Kind mit blutigen Knien, das schließlich von den Brüdern mit der Nachbarstochter Petra (Valerie Pachner) gezeugt werden wird, schon anfangs als Nummernboy die Akte ankündigt.

Die originalen „Räuber“ lösten 1782 in Mannheim eine Saalschlacht aus. „räuber.schuldengenital“ fand hingegen sowohl bei der Uraufführung Ende vergangenen Jahres in Wien als nun auch in der deutschen Erstaufführung im Marstall freundliche Aufnahme. Die rhythmisch wie philosophisch hochgejazzten Dialoge und die an diesen seltsam unbeteiligt wirkende Inszenierung sind nicht mehr als kunstgewerbliche Anstrengungen mit überschaubarem Erregunspotenzial. Generationskonflikte sind, so scheint es hier, auch nicht mehr, was sie einmal waren.

Marstall 29. Mai, 1., 27. Juni 2013, 20 Uhr, Telefon 2 85 19 40

 

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.