Tanz und Witz
Der Gründer Hans Werner Henze hat viel Ballettmusik geschrieben. Tanz ist die älteste aller Theaterformen, und nirgendwo wirken Musik und szenische Aktion zwingender zusammen. Trotzdem reicht eine Hand mühelos aus, um die choreografierte Musik bei der Münchener Biennale seit 1988 abzuzählen. Was als Traditionslosigkeit um so mehr überrascht, weil das neue Musiktheater mit Strawinsky und den Balletts Russes einsetzt.
In „Third Space“ wächst zusammen, was zusammen gehört: die starke Choreografie von Daniel Linehan und die nicht minder körperliche Musik von Stefan Prins. Das eine wäre ohne das andere nicht denkbar. Es ist die bisher stärkste und professionellste Produktion des diesjährigen Festivals.
Nähe und Ferne
Anfangs wähnt sich der Zuschauer im Carl-Orff-Saal bei der Vorführung von Videokunst. Zu geräuschhafter, nach dem ersten Höreindruck elektronischer Musik werfen drei Projektoren Nahaufnahmen von Tänzern auf einen Vorhang, der die Bühne verdeckt. Zwischenzeitlich erscheint ein Dirigent im bunten Hemd. Seine Zeichengebung ist von tänzerischer Eleganz geprägt.
Aber bald verschwindet er wieder. Der Körpersprache entspricht der kongeniale, zum Brummen, Rauschen, Knattern und Splittern verfremdete Bläserklang. Später werden die Videos stärker bearbeitet, dann öffnet sich der Vorhang. Und siehe: Die Tänzer sind anwesend, ebenfalls die verstärkten und im Sound verfremdeten Musiker des Klangforums Wien.
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Ein Teil des Publikums wird auf die Bühne gebeten. Die Musik des ersten Teils wird variiert wiederholt. Wer der Einladung gefolgt ist, erlebt den Tanz und die Instrumentalisten nun ganz nah. Obwohl einem das Ensemble Hiatus aus Brüssel dann hart auf den Leib rückt, wirkt es doch, als sei eine Glaswand dazwischen.
Die auf der Tribüne Verbliebenen mögen das anders wahrgenommen haben. Die Frage der Privatheit, das Motto des Festivals, bleibt bei „Third Space“ keine Dramaturgenthese. Sie wird ins Sinnliche übersetzt. Die Choreografie zeigt starke Emotionen: Die Gesichter der Tänzer sind oft von Wut, Zorn, Hass und Angst verzerrt. Es gibt wenig Interaktion. Die meisten Figuren sind mit sich selbst beschäftigt. Am Ende stellt sich mehr eine Erschöpfung als eine Befriedung ein.
Emil und Marthaler
Noch rarer als der Tanz macht sich der Humor bei der Biennale. Er versteckt sich in der „Tonhalle“ vor dem Nationaltheater. Das Häuschen vor dem Riesenbau ist allein komisch genug. Drinnen spielt dreimal täglich ein Streichquartett in der seltenen Besetzung mit drei Bratschen, bisweilen gestört von gurrenden Tauben, bellenden Hunden und Passanten, die nach einer Toilette fragen.
Dazwischen informiert ein studierter Kulturwirt (Thomas Douglas) über die Geschichte der Tonhalle und die Hoffnung ihrer Erfinder auf eine massenhafte Verbreitung. Der Tonfall dieses kulturpolitischen Kabaretts bewegt sich, wie stets bei Ruedi Häusermann, irgendwo zwischen seinen Landsleuten Emil Steinberger und Christoph Marthaler.
16 Leute passen in den klimatisierten Bau, der über edles Parkett verfügt. Die Auslastung dürfte über jener der Staatsoper im Hintergrund liegen. Auf einer Tafel kann man sich in eine Warteliste eintragen. Auf der steht auch der Name von Christian Ude. Ihm ist alles zuzutrauen – außer dem freiwilligen Besuch eines Konzerts mit Neuer Musik für Streichquartett. Und so wird vielleicht doch noch eine Karte frei.
„Third Space“ zum letzten Mal heute, 20 Uhr, im Carl-Orff-Saal. Die Tonhalle öffnet noch bis zum 12. Juni täglich um 14, 16 und 18 Uhr. Infos unter www.muenchenerbiennale.de
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