"Tanz der Vampire" - die AZ-Kritik

Das Musical „Tanz der Vampire“ nach dem Film von Roman Polanski im Deutschen Theater
von  Mathias Hejny
So tanzen die Vampire im Deutschen Theater.
So tanzen die Vampire im Deutschen Theater. © Eventpress/Deutsches Theater

Wenn der Herr Professor da nicht irrt: „Wir sind sicher dank Geist und Wissenschaft! Unsere Ziele sind klar, unsere Methoden bewährt. Wir sind praktisch und aufgeklärt“ singt der Gelehrte aus Königsberg zum Finale. In Zeiten, in denen sich nationalistischer Ungeist zunehmend wieder Gehör verschafft, klingt das Bekenntnis zur Aufklärung beunruhigend naiv. 1997, als das Musical „Tanz der Vampire“ im Wiener Raimundtheater uraufgeführt wurde, war das kein Thema. Aber dahinter steckt Roman Polanski, zu dessen Vita eine Kindheit im Krakauer Ghetto gehört.

Deshalb ist sein 30 Jahre zuvor entstandener Film, dessen englischer Originaltitel im Deutschen ungefähr „Die furchtlosen Vampirkiller oder Entschuldigen Sie bitte, aber Ihre Zähne stecken gerade in meinem Hals“ heißt, eine Komödie, bei der die Guten die Verlierer sind. Das Happyend betrifft die Blutsauger. Unbemerkt vom schusseligen Professor Abronsius (Victor Petersen) wird sein Schüler Alfred (Tom van der Ven) von der zum Vampir mutierten Sarah gebissen. Das Böse verbreitet sich ungehindert und die lebenden Leichen triumphieren in einer grandiosen Schlussnummer.

Natürlich weiß Polanski, der Michael Kunzes Libretto höchstselbst inszenierte, trotz des Unhappyends, wie Entertainment geht und lässt es richtig krachen. Im Deutschen Theater, wo die fidelen Vampire gerade überwintern, kann sich niemand an eine ähnliche Herausforderung an die Bühnentechnik erinnern. Mühelos gleiten die eindrucksvoll kitschigen, aber höchst aufwändigen Dekorationen durch den Raum, ob Wirtshaus in den Karpaten oder der Ballsaal des Spukschlosses, in dem die Vampire tanzen.

Songs aus der Gruft

Getanzt wird natürlich auch außerhalb der Zombie-Party. Die energiegeladenen Choreographien von Dennis Callahan bringen, um im Sujet zu bleiben, das frische Blut in die fast 20 Jahre alte, aber immer wieder runderneuerte Produktion. Zum Song „Carpe Noctem“ (Nutze die Nacht) wird aus dem Ballett sogar eine Akrobaten-Truppe, die ein höllisch monströses Himmelbett umturnt. Der Sound wird geprägt vom zur Bräsigkeit neigenden Bombast-Pop Jim Steinmans, der während der 1980er-Jahre auch Hauskomponist von Meat Loaf oder Bonnie Tyler war.

Steinman holte für den „Tanz der Vampire“ eigene Songs aus der Gruft der schnelllebigen Popgeschichte. Wenn etwa die vom Grafen Krolock entführte Sarah die „Totale Finsternis“ besingt, nutzt sie die Melodie des Bonny-Tyler-Hits „Total Eclipse Of The Heart“. Über das whiskyrauhe Timbre der Walisin verfügt die Italienerin Veronica Appeddu als die schöne Wirtstochter natürlich nicht. Vor allem in den ersten Nummern klingt ihr Sopran fast blechern ausdrucksarm. Gegen den Dracula-Klon Krolock hat sie auch hinsichtlich der Präsenz keine Chance.

Anders als der fast zerbechlich wirkende Ferdy Mayne im Film ist Thomas Borchert ein transsilvanischer Kleiderschrank mit mächtigem Bariton. Zusammen mit Herbert, dem schwulen Sohn des untoten Schlossherrn (Milan van Waardenburg) singen sich die beiden aus dem Hause von Krolock schnell in die Herzen des Publikums. Das Böse fasziniert eben, aber der Graf singt in „Unstillbare Gier“ mit seiner über die Jahrhunderte entstandene Erfahrung auch eine nachdenkliche Botschaft an die Sterblichen. „Ich bin doch nichts als eine Kreatur die kriecht und lügt und zerreißen muss, was immer sie liebt.“ Unsterblichkeit ist also auch keine Lösung.


Deutsches Theater, bis 15. Januar, montags bis freitags 19.30 Uhr, samstags 14.30 und 19.30 Uhr, sonntags 14.30 und 19 Uhr

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