Dirigentin Johanna Soller über Talente und Tugenden
Immer um diese Jahreszeit bringt die Kammeroper München eine Neuinszenierung im Hubertussaal von Schloss Nymphenburg heraus. Heuer ist das Werk angemessen standesgemäß: Die Oper "Talestri" stammt von der Prinzessin Maria Antonia Walpurgis von Bayern und wurde möglicherweise bereits 1760 an gleicher Stelle gespielt. Dominik Wilgenbus inszeniert, die musikalische Leitung hat Johanna Soller.
AZ: Frau Soller, wer war Maria Antonia Walpurgis?
JOHANNA SOLLER: Maria Antonia Walpurgis war die Tochter des bayerischen Kurfürsten Karl Albrecht. Sie wuchs in München auf und bekam eine standesgemäße Erziehung. Musikalisch wurde sie von Nicola Porpora und dem Hofkapellmeister Giovanni Battista Ferrandini unterrichtet. 1747 heiratete sie den sächsischen Kurfürsten Friedrich Christian.
"Manches ist sehr fetzig, anderes gefühlvoll"
Wie muss man sich ihre Musik vorstellen?
Sie orientierte sich an der zeitgenössischen Opera seria und an dem damals führenden Stil von Johann Adolph Hasse. Manches ist sehr fetzig, anderes gefühlvoll. Wobei es ungewöhnlich ist, dass Maria Antonia Walpurgis auch den Text geschrieben hat. Und wahrscheinlich sang sie auch die Hauptrolle. Zeitgenossen wie der britische Reisende Charles Burney haben die Musik geschätzt, Friedrich der Große schrieb, sie vereinige "viele Talente zu großen Tugenden".
Wo wurde die Oper uraufgeführt?
Das ist nicht ganz klar: wahrscheinlich in Teilen 1760 im Hubertusssaal von Schloss Nymphenburg, der damals als Theater diente, und dann vollständig 1763 in Dresden. Die drei Frauenrollen sangen Mitglieder der königlichen Familie, die Männerrollen Oronte und Learco andere Adelige. Daher ist die Musik etwas schlichter und nicht ganz so reich an Koloraturen wie bei anderen Opern dieser Zeit.
Die Geschichte spielt unter Amazonen. Man könnte auf die Idee kommen, es sei ein frühfeministisches Werk.
Warum nicht? So selbstbewusst wie Maria Antonia Walpurgis gelebt hat, würde ich das nicht ausschließen. Sie hat - was in dieser Zeit bei Opern ungewöhnlich war - die Partitur drucken lassen und sie so zugänglich gemacht. Außerdem war sie nicht nur Künstlerin, sie hat auch die Künste gefördert und war für ihren minderjährigen Sohn Regentin Sachsens.
Sie gründete sogar eine Baumwollstofffabrik und besaß seit 1766 das "Bayrisch Brauhaus" in Dresden.
Maria Antonia Walpurgis war eine ungewöhnliche Frau, die nicht dem Klischee entspricht, das man sich vom 18. Jahrhundert macht.
"Ich weiß, dass die Kammeroper von Mäzenen unterstützt wird"
Wovon handelt die Oper?
Den Rahmen bilden Auseinandersetzungen zwischen Amazonen und Skythen. Zu Beginn wird Talestri zur neuen Königin der Amazonen gekrönt. Sie nimmt dieses Amt zögerlich an, weil sie zugleich allen Männern Hass schwören muss. Insgeheim liebt sie zu diesem Zeitpunkt den Skythenprinzen Oronte, der als Frau verkleidet unter den Amazonen gelebt hatte.
Privat finanzierte Opernvorstellungen, wie Sie die Kammeroper veranstaltet, sind bei beschränkter Zuschauerzahl ein Verlustgeschäft.
Das stimmt. Ich bin zwar nicht für die Finanzen zuständig, aber ich weiß, dass die Kammeroper von Mäzenen unterstützt wird, die das auffangen. Daher haben wir uns auf eine Oper mit nur fünf Rollen beschränkt.
Sie sind Kirchenmusikerin und leiten auch einen Chor.
Das Vocalconsort München probt erst im Herbst wieder. Meine Kantatenreihe in St. Peter startet im Oktober, die Kirchenmusik muss sich auf zehn Sänger beschränken. Es ist hilfreich, dass St. Peter viele Emporen hat. Im März und April war ich als Studienleiterin und Cembalistin in einer Wiederaufnahme von Händels "Saul" mit dem Freiburger Barockorchester im Theater an der Wien beschäftigt.
Vorstellungen bis 19. September im Hubertussaal von Schloss Nymphenburg, Infos unter kammeroper-muenchen.com und bei Münchenticket
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