Sum-Sum um den Sinn herum
In Salzburg wurde das neue Stück von Händl Klaus „Meine Bienen. Eine Schneise” uraufgeführt – mit Brigitte Hobmeier als naturverbundene Verführerin und André Jung als sündigem Imker
Die Bewegungen des Ankömmlings haben etwas Traumwandlerisches. Wie ruhig er seinen Koffer absetzt und zu einer lasziv auf einem Stein liegenden Frau hinübergeht, ihren Rock wegstreift, um ihre Schenkel frei zu legen. Wie lustvoll er mit seinen Händen entlang ihrer Beine Bahnen zieht. Eine erotische Annäherung zwischen Fremd- und Vertrautheit, in melodramatischer Langsamkeit, der Suspense unterstützt von der Osttiroler Musikbanda Franui, die schon vor dem Heben des Vorhangs den märchenhaft-geheimnisvollen Ton gesetzt hat.
So atmosphärisch dicht beginnt die Uraufführung von „Meine Bienen. Eine Schneise” im Salzburger Landestheater. Das neue Stück von Händl Klaus hat schon beim Lesen den Sound eines mysteriösen Noir-Stücks, die Fährten laufen hier kreuz und quer wie Bienen im Bienenstock, wobei der Innsbrucker Autor dezidiert ein „Musikstück” für Franui geschrieben hat, den Schauspieler Stefan Kurt sowie André Jung und Brigitte Hobmeier von den Kammerspielen als Besetzung im Kopf.
Ein Verbrechen ist geschehen. Bienen wurden getötet bei einem Waldbrand, dessen Folgen auf der stimmungsvollen Bühne (Bühnenbild: Giulio Lichtner und Regisseur Nicolas Liautard) erkennbar sind. Rechts stehen sie trist da: auf ihr Drahtgerüst reduzierte Bienenstöcke inmitten eines Waldes, in dem nur noch ein paar Bäume übrig sind. Auf der Suche nach dem Täter nimmt sich der angereiste Ermittler zunächst eine Lehrerin vor, die sich als alleinerziehende Mutter, lockende Verführerin und Naturfrau entpuppt. Nicht der Einzelne spricht bei Händl Klaus, sondern die Sätze werden Wort für Wort im Wechsel gesprochen, dazu auch noch in Kombination mit der Musik von Franui, was Brigitte Hobmeier und Stefan Kurt so stark fordert, dass ihr Spiel leider manieriert und aufgesetzt wirkt.
Das Musiktheater wird hier allzu theatral, schöne Wortmusik mag sich kaum ergeben. Bis ein 13-jähriger Solist der Wiltener Sängerknaben auftritt: Michael heißt er und darf seinen Text tatsächlich singen. Da steht der Bub mit der Coolness eines Profis auf der Bühne und trifft die Töne wunderbar, auch wenn der Text dabei schwer zu verstehen ist (die zu blass projizierten Übertitel helfen wenig).
Dieser Michael spielt Lukas, den Sohn der Lehrerin, der in jedem Mann seinen Vater sucht und einen Hass auf die Natur entwickelt hat, der sich auch im Kontakt mit seiner Erzeugerin entlädt. Böse boxt ihr der Kleine in den Bauch und zieht mit der Pistole zum Spielen davon – kurz darauf wird ein toter Hirsch auf die Bühne gezogen, zu dem sich waidwund die Mama gesellen wird.
In der Inszenierung des Franzosen Liautard wird so einiges niedergestreckt, bald auch die erotische Spannung und das Krimi-Interesse des Zuschauers. Nur André Jung, der als Imker schweren Fußes den Tatort betritt, lässt sich vom Händl-Klausschen Wort-Spiel nicht aus der Ruhe bringen und findet zu einer Figur mit tragischer Tiefe, zwischen Schuldbekenntnis und -verneinung, ein Züchter, der nicht nur seine eigenen Bienen mit Milben, sondern auch im Inzest mit der Tochter die sittliche Ordnung vergiftet hat.
Einmal ergibt sich ein mitreißender Fluss der Worte, wenn Jung und Hobmeier sich im Streit zu einem Crescendo steigern. Aber dann versiegt auch schon der Strom, und die Inszenierung brummt dahin zu ihrem rätselhaften Ende. Allein die glasklare Musik von Franui, eine eklektische Mischung aus Eigenkomposition und sechs Jugendliedern von Alban Berg, hebt ab in höhere Sphären. Gejubelt wurde am Ende trotzdem heftig, und danach im Foyer gerätselt, um was es eigentlich ging. Man kennt das ja vom Sum-Sum der Bienen: idyllisch reizend klingt es, und keiner kann’s verstehen.
Weitere Termine: 25., 27., 29., 30., 31. 8., 19.30 Uhr im Landestheater, Tel. 0043/662/8045 500
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- Salzburger Festspiele