Stress oder Spielfreude?

In den Kammerspielen proben fünf Schweine Shakespeares „König Lear“. Tierschützer regen sich auf – der Regisseur Johan Simons erklärt die Gründe für die Mitwirkung der Tiere
Natalie Kettinger, Robert Braunmüller |
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In den Kammerspielen proben fünf Schweine Shakespeares „König Lear“. Tierschützer regen sich auf – der Regisseur erklärt die Gründe für die Mitwirkung der Tiere

Unter Schauspielern gilt als eiserne Regel: Sei nie gleichzeitig mit Tieren oder Kindern auf der Bühne – sie stehlen dir bestimmt die Schau. In den Kammerspielen probt der Hausherr Johann Simons derzeit mit fünf Schweinen William Shakespeares Schauspiel „König Lear“. Aus dem Ensemble sind (vorerst) keine Proteste zu vernehmen, dafür aber umso lauter von Tierschützern.

„Schweine haben in einem Theaterstück nichts verloren“, findet Judith Brettmeister vom Münchner Tierschutzverein. „Im Jahr 2002 wurde in Artikel 20a des Grundgesetzes der Tierschutz aufgenommen, um damit das Leben und Wohlbefinden der Tiere als Mitgeschöpfe zu schützen. Wenn in einem Theaterstück völlig sinnlos Tiere gestresst und ausgestellt werden, dann ist dieses Grundrecht auf Tierschutz nichts wert.“

Um dergleichen zu verhindern, fordert der Tierschutzverein seit Längerem ein Verbandsklagerecht, damit sich anerkannte Organisationen gegen die Verletzung von Vorschriften wehren könnten. Nun kann man sich fragen, ob es nicht jeden Tag außerhalb der Kammerspiele die eine oder andere Situation gibt, die Schweine mehr stresst als ein Auftritt in den Münchner Kammerspielen. Allerdings sind die Tiere bei einer Probe schon einmal von der Bühne in den Zuschauerraum geflüchtet. Dass sie sich dabei verletzt haben, bestreitet Simons aber.

Der Niederländer ist ein Bauernsohn und deshalb kein Freund der industriellen Landwirtschaft und ihrer Missstände. „Die Tiere fühlen sich bei uns wohl und haben viel Freude“, sagt Simons, der ihren Geruch als „angenehm“ und „etwas schwer“ beschreibt. Für seine Inszenierung von „König Lear“ hat er „Filmschweine“ mit darstellerischer Erfahrung engagiert. Die intelligenten Tiere sind vor der Kamera auch schon auf Stichwort aufgetreten. Sie werden in den Kammerspielen von einem Betreuer versorgt und mit Äpfeln ernährt. In den Zuschauerraum werden sie sich in der Premiere am 9. März auch nicht mehr flüchten, weil es da neuerdings eine Barriere gibt.

Natürlich kennt auch Simons die alte Regel von Tieren und Kindern: „Das Publikum wird vielleicht zwei Minuten hinschauen“, erwidert er. „Dann hat es sich sattgesehen, weil die Tiere ruhig bleiben. Dann werden sich die Zuschauer wieder den Schauspielern zuwenden.“

Simons ist sich sicher, dass William Shakespeare die Tiere nicht stresst. Und „sinnlos“ sei ihr etwas mehr als einstündiger Auftritt im „König Lear“ auch nicht: „In keinem Stück des Dramatikers werden Tiere öfter genannt“, erklärt der Regisseur. „Wir haben 134 Stellen gezählt. Lears Tochter Regan wird mit einer Schlange verglichen. Das Stück spielt in einer fernen Urzeit. Mir ist es wichtig zu zeigen, dass sich unterhalb einer dünnen Schicht von Moral und Kultur Menschen und Tiere ähnlich verhalten. Und deshalb brauche ich die Schweine auf der Bühne.“

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