Stephan Kimmigs Inszenierung von Molnárs "Liliom" in der AZ-Kritik

Waidwunder Bösewicht: Stephan Kimmig inszeniert Molnars Figuren in "Liliom" an den Kammerspielen die Fallhöhe heraus
Matthias Hejny |
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Der bunte Glitter des Tingeltangels auf dem Rummelplatz ist hier implodiert und kulminiert sich in einer gewaltigen Diskokugel, die den von Bühnenbildnerin Eva-Maria Bauer ansonsten völlig aufgerissenen Bühnenraum der Kammerspiele beherrscht. Der mal auf den Boden heruntergefahrene, mal wieder in den Schnürboden aufsteigende Glitzerglobus ist die böse, böse Welt.

Die Titelfigur wird in einer wortlosen Szene beim selbstvergessenen Tanzen vorgestellt und der Betrachter kann finden: So schlimm ist der Kerl gar nicht, wie man ihn von den zahlreichen anderen Aufführungen der "Vorstadtlegende" von Ferenc Molnar kennt. Und das bleibt so, was sich als die zentrale Schwäche der Inszenierung von Stephan Kimmig erweist.

Ein ganz Lieber

Der Karussellausrufer von Beruf und hobbymässige Mädelaufreisser mit Neigung zur Gewalt gegen Frauen ist eigentlich ein ganz Lieber. Nur die anderen zerren immer an ihm herum: Frau Muskat will nicht einsehen, dass er jetzt eine andere hat, die er wirklich liebt. Wiebke Puls ist ein grossartig expressionistisches Eifersuchts-Monster. Dafür traut der Kleingangster Ficsur dem Mann vom Rummel kriminelle Energie für Überfälle zu - als nicht nur gesellschaftlich zwielichtige, sondern auch sexuell zwitterhafte Figur hat Katja Bürkle mit albtraumhafter Präsenz die faszinierendsten Auftritte.

Nicht einmal Selbstmord schützt vor den Anforderungen: 16 Jahre später wird Liliom zu einer zweiten Chance noch einmal auf die Erde geschickt. Er hat seiner Tochter einen Stern vom Himmel geholt, aber sie weiss das nicht zu schätzen: "Ich nehme nichts von Fremden."

Fabelhaftes Ensemble

Kimmig will Position beziehen zugunsten der Ausgebeuteten und Unterdrückten. Dabei planiert er die Fallhöhen, mit denen Molnar seine Figuren ausstattete. Zum Glück gibt es das Kammerspiel-Ensemble, das mehr Interesse für das Personal entwickelt. Steven Scharf, ein Liliom mit waidwundem Blick und aufgerautem Timbre, und Anna Drexler, eine Julie von mädchenhaftem und energetischem Selbstbewusstsein, sind ein Traumpaar: Zwar ist er ein hünenhaftes Mannsbild und sie eine nur halb so grosse junge Frau, und doch begegnen sie sich immer auf Augenhöhe.

Münchner Kammerspiele, 11., 27. März, 4., 8., 20., 24., 27. April, 20 Uhr, Tel. 233 96 600

 

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