Staatsoper muss Premiere verschieben: Haussegen in schiefer Lage

Der Grund seien steigende Kosten. Symptom einer größeren Krise?
Robert Braunmüller
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An den Säulen des Nationaltheaters warb zuletzt ein Banner für eine Initiative, die eine bessere Kulturpolitik einfordert. Und das heißt fast immer: mehr Geld, das der Bayerischen Staatsoper derzeit zu fehlen scheint.
Robert Haas/Initiative Kulturzukunft Bayern 2 An den Säulen des Nationaltheaters warb zuletzt ein Banner für eine Initiative, die eine bessere Kulturpolitik einfordert. Und das heißt fast immer: mehr Geld, das der Bayerischen Staatsoper derzeit zu fehlen scheint.
Serge Dorny, der Intendant der Bayerischen Staatsoper.
picture alliance/dpa 2 Serge Dorny, der Intendant der Bayerischen Staatsoper.

Wir befinden uns in einer Zeit des Umbruchs und haben mit daraus resultierenden Folgen umzugehen, die Planungsrisiken hervorrufen und die Durchführung von Theater- und Opernproduktionen erschweren", zitiert eine Mitteilung Serge Dorny. "Nach Abwägung aller Schwierigkeiten und Möglichkeiten" habe sich der Intendant der Bayerischen Staatsoper entschlossen, die Neuinszenierung von Toshio Hosokawas Oper "Matsukaze" vom Mai 2023 auf 2024 zu verschieben.

Wegen Kostenexplosion: Staatsoper verschiebt Premiere

Die nebulöse Formulierung von der "Zeit des Umbruchs" wirft Fragen auf, die von der dürren Mitteilung nicht beantwortet werden. Auf Twitter nennt die Staatsoper zusätzlich "allgemeine Umstände", "Kostenexplosionen" und den "Mitarbeiter:innenmangel in manchen Bereichen". Derartige Aussagen sind eine Premiere an einem bayerischen Staatstheater und damit ein Alarmzeichen für den gesamten Kulturbereich.

Auf Nachfrage bestätigt das Haus, dass steigende Energie- und Materialkosten bei der Entscheidung eine Rolle spielen. Da bereits Georg Friedrich Haas "Koma" auf 2024 verschoben wurde, heißt das letztendlich, dass der Spielplan des übernächsten Festivals "Ja Mai" bereits steht. Auf diese Weise werden daher womöglich sogar zwei Neuproduktionen eingespart.

Um welche Beträge es geht, bleibt auch auf Nachfrage offen, ebenso genauere Angaben zum ominösen "Mitarbeiter:innenmangel". Am fehlenden Vorderhauspersonal kann eine Premiere im Utopia der Reithalle kaum scheitern. Und wir sprechen hier auch nicht vom Stadttheater Kötzschenbroda und der Freien Szene, sondern von einem Opernhaus, das nach eigenem Selbstverständnis mit Covent Garden, der New Yorker Metropolitan Opera oder der Mailänder Scala auf Augenhöhe agiert und sich bis heute auf seiner Website als "wirtschaftlich erfolgreichstes Haus in Deutschland" bezeichnet.

Die Corona-Krise scheint daran gekratzt zu haben. Auch wenn davon ungern gesprochen wird: Die Auslastung war am Beginn der neuen Spielzeit ungewohnt mäßig - auch in Vorstellungen mit Jonas Kaufmann in "Peter Grimes". Das Publikum ist wählerischer geworden und hält sein Geld zusammen.

Teure Karten bleiben liegen

Ein Blick auf die Saalpläne verfügbarer Plätze zeigt, dass die teuren Karten nicht - wie früher - als erstes verkauft werden. Ob die steigenden Energie- und Materialkosten von Freistaat Bayern oder dem Bund ausgeglichen werden, scheint ungeklärt. Sponsorengelder fließen womöglich auch nicht mehr ganz so üppig, wenn Unternehmensgewinne schrumpfen und Entlassungen anstehen.

Dazu kommen hausgemachte Verwerfungen. Jeder Intendantenwechsel bringt personelle Veränderungen mit sich. Zwar ist bei Theaterklatsch aller Art höchste Vorsicht geboten. Aus der Staatsoper sprudeln allerdings seit dem Wechsel von Nikolaus Bachler zu Serge Dorny die Geschichten in einem Übermaß, dass zumindest von einem teilweise schief hängenden Haussegen auszugehen ist.

Serge Dorny, der Intendant der Bayerischen Staatsoper.
Serge Dorny, der Intendant der Bayerischen Staatsoper. © picture alliance/dpa

Dorny hat offenbar den Chordirektor nicht verlängert, was für Unruhe und Kündigungen gesorgt hat. Insider berichten nicht nur von einer hohen Personalfluktuation, sondern auch von Konflikten zwischen dem Verwaltungsdirektor und dem wenig betriebswirtschaftlich denkenden Intendanten. Beklagt werden auch Dornys einsame Entscheidungen und seine unbefriedigende Kommunikation. Tatsächlich ist auch für Außenstehende unübersehbar, dass der neue Intendant im Unterschied zu seinem Vorgänger nicht als Teamplayer agiert und die Dramaturgie des Hauses nach außen eine viel geringere Rolle spielt.

In Dornys erster Spielzeit gab es durchwegs aufwendige Produktionen von Opern wie "Les Troyens", "Peter Grimes", "Das schlaue Füchslein" oder "Die Teufel von Loudun", die erfahrungsgemäß mangels Nachfrage nach einem Dutzend Vorstellungen aus dem Repertoire fallen. Beim Festival "Ja Mai" hätten ursprünglich gleich drei Kammeropern von Georg Friedrich Haas neu inszeniert werden sollen, was den Betrieb stark strapaziert haben soll.

Die Frage der Nachhaltigkeit

Da stellt sich ein wenig die Frage nach der Nachhaltigkeit. Sie lässt sich - wie beim zeitgenössisch orientierten Festival "Ja Mai" - mit dem Auftrag eines Staatstheaters rechtfertigen, nicht nur "Aida" und "La traviata" zu spielen. Und mit unbestreitbaren künstlerischen Erfolgen natürlich auch.

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Es ist kulturpolitisch fatal, nun ausgerechnet eine zeitgenössische Oper zu opfern, wenn mittelfristig schon wieder der weiße Elefant aller Intendanten und Generalmusikdirektoren vorbereitet wird: ein neuer "Ring des Nibelungen". Krisen haben aber immer zwei Seiten. Sie können der Anfang eines Endes sein, man kann aus ihnen aber auch gestärkt hervorgehen.

Der Erfolg von "Bluthaus" spricht dafür, auch die bisherige künstlerische Bilanz des Generalmusikdirektors Vladimir Jurowski, der als Nachfolger von Kirill Petrenko beim Bayerischen Staatsorchester keine einfache Aufgabe übernommen hat. Womöglich ist nach zwei, drei gelungenen Premieren im Frühjahr alles vergessen. Die Chance besteht: Das Gedächtnis des Theaters ist kurz, und an Erfolgen möchte jeder beteiligt sein.

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  • Yeswecan am 14.11.2022 10:07 Uhr / Bewertung:

    Die Schwierigkeiten Corona-Krise, Inflation und Energiekosten betreffen jedes Haus. Im Gegensatz zu anderen Kultureinrichtungen kommen bei der Bayerischen Staatsoper hausgemachte Probleme dazu. Und die sind vor allem beim derzeitigen Intendanten Serge Dorny festzumachen.Überteuerte repertoireuntaugliche Neuproduktionen , wenig bis gar keine Kommunikation, fehlende Präsenz im Opernhaus-alles Dinge, die sein Vorgänger Bachler wesentlich besser und professioneller gemeistert hat.Kein Wunder, dass Dresden rechtzeitig die Reissleine gezogen hat. Ein aktueller Blick nach Dresden zeigt-die Semperoper steht derzeit ohne Herrn Dorny wesentlich besser da ( Ring-Zyklus, Strauss-Festtage, allseits gefeierte Neuproduktionen.)Manchmal entscheidet eben doch die Personalie über Erfolg und Misserfolg einer Institution( nicht nur im Kulturbetrieb).

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