Spielzeiteröffnung: Ein Krieger als Schlafwandler
David Bösch inszeniert am Residenztheater Kleists "Homburg" und nebenan im Frühjahr die "Meistersinger"
Er stammt aus der ostwestfälischen Kleinstadt Lübbecke, wo es nur ein von Amateuren bespieltes Freilichttheater gibt. Dennoch ist der 37-Jährige bald nach seiner Ausbildung in Zürich einer der wichtigsten Theaterregisseure seiner Generation geworden, und das nicht nur im Schauspielbereich. An der Münchner Staatsoper ist er seit Jahren regelmäßiger Gast. Ab 16. Mai kommenden Jahres wird dort seine Inszenierung von Richard Wagners „Die Meistersinger von Nürnberg“ laufen. Heute aber findet eine Tür weiter eine Schauspielpremiere statt: Das Residenztheater eröffnet die neue Spielzeit mit „Prinz Friedrich von Homburg“ von Heinrich von Kleist in der Inszenierung von David Bösch.
AZ: Herr Bösch, wie laufen die Proben für den „Prinzen von Homburg“ so bald nach den Ferien?
DAVID BÖSCH: Der Vorteil sind die guten Bühnenzeiten. Man kann morgens und abends auf die Bühne. Das ist sehr angenehm. Es hat nicht jeder jeden Abend eine andere Vorstellung, sondern alle können sich auf dieses Stück konzentrieren. Es ist mein dritter Kleist!
Anfang des Jahres inszenierten Sie in Wien „Käthchen von Heilbronn“. Was war der dritte Kleist?
Der Dritte war auch das „Käthchen“. Das ist aber schon länger her: 2006 in Essen.
Hatten sich die beiden Käthchen in der Zwischenzeit stark verändert?
Ja, völlig. Beide hatten gar nichts miteinander zu tun. In Essen war es eine grüne Hügellandschaft und sehr komödiantisch. In Wien war es Schwarzweiß, ernster und mehr auf die Sprache gesetzt. Nur das Käthchen, das war die gleiche Schauspielerin.
In ihrer verträumten Art, nicht immer mitzubekommen, was um sie herum geschieht, scheinen das Käthchen und der Prinz sehr ähnlich zu sein.
Das sehe ich auch so. Wie Käthchen hat natürlich auch Friedrich seine verschiedenen Façetten. Auf der einen Seite ist das Käthchen verträumt und somnambul, auf der anderen Seite ein ganz handfestes und patentes Bauernmädchen. Der Prinz von Homburg ist natürlich ein Träumer und auch ein Egozentriker, auf der anderen Seite aber ein Kriegskämpfer. Obwohl er schon zwei Schlachten verloren hat, wird ihm noch die Dritte zugetraut. Er muss in der Kriegsführung schon was drauf haben.
Aber zunächst wirkt er als Versager: Verpennt manches, ist ein Schlafwandler. Das entspricht nicht den üblichen Vorstellungen von einem Kriegshelden.
Deshalb ist es wichtig, den Krieger und Aufsteiger Homburg zu zeigen – den Mann, der eine Chance ergreift. Auf Natalies Frage nach dem vermeintlichen Tod des Kurfürsten „Wer wird jetzt diese Schweden niederhalten?“ antwortet er: „Ich!“ Das sagt kein Träumer. Die ausschließliche Beschränkung auf die somnambule Seite erscheint mir problematisch. Das würde auch dem Konflikt mit dem Kurfürsten die Schärfe nehmen.
Ihre vorige Resi-Inszenierung war der noch auf dem Spielplan stehende „Peer Gynt“ von Henrik Ibsen, dessen Titelheld auch in seiner eigenen Traumwelt lebt. Findet sich - beide Hauptrollen spielt Shenja Lacher – im Prinzen von Homburg auch etwas von Peer Gynt?
Die Figuren und die Produktionen befruchten sich an Shenja Lacher. Das finde ich das Schöne daran. Die Art, wie er denkt, spricht, spielt und auch seine Persönlichkeit zeigt, kommt in beiden Rollen sehr zum Tragen. Dennoch würde ich sagen, dass Prinz von Homburg der Erwachsenere und Klügere von beiden ist. Der Gynt hat so eine Art Bauernschläue. Der Prinz von Homburg gehört zum preußischen Adel und ist jemand, der schnell und strategisch denken kann. Das ist doch eine sehr andere Figur, die natürlich die Lachersche Prägung erfährt. Was das Beste ist, was einer Figur passieren kann.
Sie sind nicht nur ein viel beschäftigter Schauspielregisseur, sondern inszenieren auch Opern. Wie unterschiedlich ist das Arbeiten in den beiden Bühnenkünsten?
Es sind zwei verschiedene Berufe. Und genau das finde ich gut. Der Kleist ist ein gutes Beispiel. Davon haben wir eine eigene Fassung gemacht. Wir haben nur neun Schauspieler und es dauert 105 Minuten. Ohne Strich dauert es etwa drei Stunden. In der Oper ist die Struktur eher vorgegeben durch die Musik, den Rhythmus, die musikalische Sprache, der ich mich gerne anvertraue. Wobei die Kleistsche Sprache in ihrer Musikalität dem recht nahe kommt.
Residenztheater, Premiere heute, 19 Uhr. Auch am 27. 9., 3., 9., 19., 24. 10., Karten: 21851940