"South Pole" von Miroslav Srnka mit John Daszak
Ein jeder Mensch ist ersetzbar. So lautet ein ehernes Gesetz des Kapitalismus. Der Repertoire betrieb der Oper mit seinem ständig kreisenden Umbesetzungs-Karussell überprüft als Versuchslabor diese Regel spielerisch auf ihre Gültigkeit.
Ein Jahr nach der Uraufführung steht „South Pole“ wieder auf dem Spielplan der Bayerischen Staatsoper. Wie damals dirgiert Generalmusikdirektor Kirill Petrenko die Oper des jungen tschechischen Komponisten Miroslav Srnka.
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Im Dezember gab Rolando Villazón bekannt, er wolle den britschen Polarforscher Robert F. Scott nicht mehr singen. John Daszak sprang ein – er ist ein Spezialist für die schwierigen Tenor-Charaktere der Moderne. In der Vergangenheit meisterte er an der Bayerischen Staatsoper bereits Hauptrollen in Schönbergs „Moses und Aron“ und Alexander Zemlinskys „Der Zwerg“. Im Sommer wird er zur Eröffnung der Opernfestspiele als Alviano in Franz Schrekers „Die Gezeichneten“ zurückkehren.
Nicht besser, eher anders!
Es ist kein Vergnügen, einen Star zu vertreten. Daszak bringt andere stimmliche und als Darsteller auch andere körperliche Voraussetzungen mit. Villazón spielte schon in der ersten Szene den physisch und mental Unterlegenen. Daszak ist dagegen so groß wie Thomas Hampson als sein Gegenspieler Amundsen. In der neuen Konstellation beginnt der Wettlauf zum Südpol als offene Entscheidung.
Die Technik des britischen Tenors und sein Timbre passen besser zur Musik der Gegenwart als Villazóns italienisch geschulte Stimme. Die bei aller Kraft herb lyrische Färbung von Daszaks Tenor verleiht der Figur eine empfindsame Weichheit. Diese Spannung zwischen der Erscheinung und der Stimme spielt er bewusst aus.
Das macht Daszaks Interpretation spannender, was nicht als Kritik an Villazón verstanden werden sollte. Sondern eher als Kompliment für eine moderne Oper, die sich facettenreich deuten lässt und die den Sängern Möglichkeiten bietet, die eigene Persönlichkeit künstlerisch einzubringen.
Beim zweiten Mal stärker
Im Mai wird „South Pole“ in Darmstadt nachgespielt – kein selbstverständlicher Erfolg für eine moderne Oper. Ich stand der Uraufführung vor einem Jahr reserviert gegenüber. Bei der Wiederbegegnung nimmt man eher die Stärken wahr: die kristallin harte, individuelle Musik etwa. Und den Mut, Figuren mit Ecken und Kanten auf die Bühne zu bringen, und nicht nur die in der Neuen Musik beliebten Ideenträger.
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Auch das Sound-Design mit teilweise elektronisch verstärkten Passagen wirkte diesmal runder. Eine Schwäche von „South Pole“ bleiben die Frauenfiguren, die in Visionen und Traumsequenzen auftreten. In der Aufführung am Samstag lieh Eri Nakamura ihren Mezzo der erkälteten Kollegin Tara Erraught. Sie sang Scotts Ehefrau am Rand der Bühne, während ihre indisponierte Kollegin spielte.
Das schwarze Kabel ihres Notenständers im komplett weißen Bühnenbild hätte stören können: Es war mit weißem Band abgeklebt. Eine solche Sorgfalt im Detail beweist, wie ernst an der Bayerischen Staatsoper alle ihre Arbeit nehmen.
Noch einmal am 23. Januar, 19.30 Uhr, wenige Restkarten
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