So ist "Trüffel, Trüffel, Trüffel" in der Kammer 2

Eine kleine Delikatesse: Eugéne Labiches Lustspiel „Trüffel Trüffel Trüffel“ überzeugt in der Kammer 2
von  Robert Braunmüller
"Trüffel, Trüffel, Trüffel" in der Kammer 2.
"Trüffel, Trüffel, Trüffel" in der Kammer 2. © Julian Baumann

Die erste Pyramide baute Pharao Djoser. Dann folgte Snofru mit gleich drei Pyramiden - alle größer als die seines Vorgängers. Cheops baute eine noch größere Pyramide. Sein Nachfolger Chephren stellte eine gleich große Pyramide daneben - allerdings auf einen zehn Meter hohen Felsen, damit sie höher wirkt. Dann waren die Energien erschöpft.

Die umgedrehte goldene Pyramide auf der Bühne der Kammer 2 verweist auf die Urgeschichte von „Trüffel Trüffel Trüffel“. Das französische Lustspiel von Eugène Labiche aus dem Jahr 1861 erzählt von dem, was Soziologen „Distinktion“ nennen: der Betonung sozialer Unterschiede durch Statussymbole wie Autos, Uhrketten oder pompöse Grabmäler. Die Luxuseinkaufsstraße vor den Kammerspielen bietet reichhaltiges Anschauungsmaterial dazu.

Bei Labiche geht es - zeitbedingt - um die sogenannte gute Partie. Das Liebespaar ist heiratswillig, die Eltern haben nichts dagegen. Wo ist das Problem? Der Konflikt entsteht aus der Angeberei der beiden Schwiegermütter. Sie wollen großbürgerlicher scheinen, als es ihre Geldbeutel hergibt.

Sie zwingen ihre Männer, die Mitgift und die standesgemäße Ausstattung des jungen Paars immer weiter in die Höhe zu treiben - bis fast die Hochzeit platzt.

Regisseur Felix Rothenhäusler hat sich in der Kammer 2 jede forcierte Aktualisierung verkniffen. Seine Inszenierung verwandelt das Lustspiel mit Liebe in eine schnoddrige Schnellsprechoperette. Nur einmal, als zwei Wochen Wartezeit nach dem Heiratsantrag verstreichen, holen die Schauspieler Atem.

Sanfte Sozialkritik an einem charmanten Abend

Sonst stehen sie hierarchisch gereiht frontal vor dem Zuschauer - in der Mitte die Elternpaare, am Rand die glücklich Liebenden, die nicht viel zu sagen haben. Ganz außen die Diener und Onkel Robert, der Komödienjoker, den Risto Kübar recht forciert als Freak anlegt. Er allein durchschreitet den tiefen, mit weicher rosa Auslegeware belegten Bühnenraum (Bühne: Jonas von Ostrowski).

Annette Paulmann spielt einen der beiden Väter, einen Arzt ohne Patienten: Ihre Maske mit Seehundschnauzer, Glatze und überlegter Strähne ist so perfekt, dass man es erst merkt, wenn sie zu sprechen anfängt. Die Paulmann wirkt komisch, weil die die Figur einerseits schnoddrig unterspielt, die vielen Pointen aber höchst wirkungsvoll zu setzen weiß. Marie Rosa Tietjen schafft das auf der Gegenseite nicht ganz so perfekt. Ihr Monsieur Ratinois ist mit der zwei Köpfe größeren Wiebke Puls verheiratet – eine uralte, auch in der gegenderten Variante noch immer lustige Konstellation. Sie liefert sich heftige Statuskämpfe mit Madame Malingear im schrill geblümten Kleid (Nils Kahnwald), die ihren müßiggängerischen Mann antreibt, mehr zu scheinen als er ist.

Die leicht rotzige Braut (Zeynep Bozbay), in der noch immer das Pubertier gähnt, darf ein bißchen verfremdeten Johann Sebastian Bach singen. Samouil Stoyanov macht seinem Stück-Spitznamen „Zitronenfalter“ alle Ehre. Joscha Baltha spielt alle Diener und den Boten des Restaurants, in dem Monsieur Ratinois gleich mehrere Gänge mit Trüffelgerichten bestellt.

Labiches sanfte Sozialkritik reizt seit den seligen Zeiten der Berliner Schaubühne die Regisseure auf den Regietheaterboulevard.

Der kurze, nur einstündige Abend ist eine charmante Arabeske. Und wunderbar heutiges Schauspielertheater. Auch das steckt in Matthias Lilienthals Wundertüte. Nicht oft, aber immerhin gelegentlich. Robert Braunmüller

Kammer 2, wieder heute und am 4., 7. Oktober, 20 Uhr und am 8. Oktober um 19 Uhr. Karten unter Telefon 089 233 966 00

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