So ist "Schlagobers" in der Reithalle

Reithalle: Das Ballett des Gärtnerplatztheaters tanzt „Schlagobers“ von Richard Strauss
Vesna Mlakar |
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Der Choreograf sollte ein Mediator sein: Gedanken in Bewegung fassen und diese dem Publikum vermitteln. Karl Alfred Schreiner gelingt das in seinem Ballett „Schlagobers“ leider nur zum Teil. Dabei steigt er mit Unterstützung seines Ausstatterteams Kaspar Glarner und Marco Brehme sogar recht eindrücklich in die Handlung ein.

Geschickt entzerren die beiden mithilfe einer Empore den Spielraum. Dessen Tiefe bleibt der großartig von Marco Comin vorbereiteten Besetzung des Orchesters vorbehalten. Javier Ubell in der Rolle des Neffen hält es eh nicht lange am Kaffeetisch aus. Statt sich zu entscheiden, nascht er an allen Köstlichkeiten, die ein neunköpfiges Kellnerballett mit armgestikulierender Verve präsentiert.

Wenn der Mageninhalt tanzt

Mit zunehmendem Blutzuckerspiegel des Jungen füllt sich auch das darunterliegende Plateau. Die Tänzer, pastellfarbig rausgeputzt (Kostüme: Alfred Mayerhofer), agieren mit und auf glasiert wirkenden Matten: mobile Versatzteile, die sich zu unterschiedlichen Varianten süßer Schnitten auftürmen lassen. Stars dieses bunten Showrooms sind zweifelsohne der technisch versierte Davide Di Giovanni (schöne, narzisstische Körperelastizität!) in der Rolle des Prinzen Kaffee und Prinzessin Kakao (Ariella Casu). Ein ballettöses Tangopaar, in dessen kaugummiweich-fließende Schlenker, aufschäumende Heber und Wendungen oder auskostende Verzögerer Schreiner sein ganzes Können gepackt hat.

Ausgerechnet zum Ende hin bleiben dann aber die zündenden Ideen aus, während die detailreich instrumentierte Musik von Richard Strauss stilistisch nur so durch die Avantgarde der 1920er Jahre mäandert. Je toller der Komponist es mit Springtänzen oder seiner Aufruhrpolka treibt, desto zuckender und zurückhaltender wird bei Schreiner der Tanz. Bis am Ende ein letztes euphorisches Paar mit der ersehnten Walzerrunde im glitschigen Schaum einer discoerfahrenen Jugend scheitert.

Schade. Auch von der löwenmähnig-imposanten Gestalt (Isabelle Pirondi als Tante Chartreuse) hätte man sich mehr charakterliche Klarheit und inspirierte Bewegungsvielfalt gewünscht. Stattdessen? Ein irritierend zynischer Schluss zu versöhnungsvoll schwelgenden Klängen. Javier Ubell, dessen überzuckertes Mageninneres Schreiner szenisch nachvollziehbar in einer sich rasant zuspitzenden Ensemblejagd und Materialschlacht veranschaulicht, ist da längst aus dem Geschehen verdrängt. Reines Assoziieren reicht gegen solche musikalische Übermacht einfach nicht aus.

Wieder am 13. (Benefizvorstellung zugunsten der Münchner AIDS-Hilfe e.V.), 14. (18 Uhr), 16., 17., 19., 20. und 21.12. (18 Uhr), jeweils 19.30 Uhr in der Reithalle

 

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