So ist "Dogtown" von Herbert Achternbusch

Volkstheater: Es scheint, als würde sich Herbert Achternbusch in seinem Stück „Dogtown“ auf der Kleinen Bühne selbst parodieren
Robert Braunmüller / TV/Medien |
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Julia Richter, Leon Pfannenmüller, Moritz Kienemann in "Dogtown".
Gabriela Neeb Julia Richter, Leon Pfannenmüller, Moritz Kienemann in "Dogtown".

Lange hat man vom Anarcho-Maler, Skandal-Filmemacher und Grantel-Dramatiker von der Burgstraße nichts Neues mehr gehört. Nur die traurige „Susn“ aus dem Frühwerk ist an den Kammerspielen mit Brigitte Hobmeier bereits in der sechsten Spielzeit noch immer lebendig. Jetzt hat Herbert Achternbusch überraschend am Volkstheater angedockt, und sein vor zwei Jahren entstandener Text „Dogtown Munich“ wird dort uraufgeführt. Anders als früher inszenierte der 78-Jährige nicht selbst und mochte auch zur Premiere nicht erscheinen.

Maria steigt von ihrer Säule und schwärmt zärtlich für Adolf Hitler

Die Inszenierung der jungen Rheinländerin Pinar Karabulut ist stilgerecht möbliert. Das Publikum drängt sich auf der Kleinen Bühne auf Bierbänken und erspürt so etwas vom „Andechser Gefühl“, mit dem Achternbusch 1974 in die Filmgeschichte eintrat. Zeitlich ist das Werk großzügig umrissen und tummelt sich zwischen griechischer Antike und gerade jetzt. Die offizielle Geschichtsschreibung ist für eine gute Pointe zu vernachlässigen: Wer hat München gegründet? Der Monaco Franze natürlich!

Gelegentlich treffen die Epochen zusammen, etwa wenn sich Herakles mit zwölf Neonazis prügelt. Diese Szene würde man gerne sehen, doch die Regisseurin lässt sie aus dem Off vorlesen. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass sie nur vier Darsteller hat für einen Typen-Zoo, dessen Gehege der Marienplatz ist. Aber Julia Richter, Moritz Kienemann, Leon Pfannmüller und Timocin Ziegler geben alles. Völlig entfesselt toben sie auf dem schmalen Gang zwischen den Zuschauerreihen.

Die krampfartigen Konvulsionen, krachenden Stürze mit und ohne Fahrrad oder das panische Rennen im Kreis führen überwiegend ins Leere. Doch wohin das führen soll, verrät schon der Autor nicht. Das Fehlen jeder Form ist die Form und es scheint, Achternbusch parodiere sich selbst. Dieses Angebot nimmt Karabulut dankbar auf und macht sich lustvoll und oft sogar lustig über zeitgenössische Theaterei her. Besonnen vom Heiligenschein der Mariensäule im XXL-Format (Ausstattung: Franziska Harm) entstehen richtig große Bilder, die den Dada prall und sinnlich machen.

Noch eins drauf

Zu Zeiten, als Achternbusch die Filmförderung gestrichen wurde, weil sein Jesus „Das Gespenst“ ist, das Sex mit einer Nonne hat, wäre auch eine Maria, die von der Mariensäule herabsteigt, ein Fall für die Zensur gewesen. Zudem sagt sie Sätze von kruder Poesie wie „Mein Herz ist ein blutiges Schnitzel“ und schwärmt zärtlich für Adolf Hitler. Aber heutzutage kann Karabulut risikolos noch eins draufsetzen: Die Gottesmutter geißelt sich mit einem Rosenkranz, den sie zuvor ausgekotzt hat und gebiert eine Weißwurst. Den verwaisten Platz auf der Säule übernimmt dann Karl Valentin. Frisch vom Himmel gefallen deklamiert er letzte Worte und vielleicht ein Vermächtnis des München-Hassers Herbert Achternbusch, der seine Stadt ganz tief innen drin trotzdem lieb hat: „Schön singen die Tauben im Frieden, noch schöner gurren sie im Mai und jetzt ist alles vorbei“.

Münchner Volkstheater, 21., 22., 24. Februar, 7., 8., 13., 21., 22. März, 20 Uhr, Telefon 52 34 655

 

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