So ist die Operette "Wiener Blut" von Johann Strauß im Cuvilléstheater

Leicht zersägter Operetten-Charme: Die Premiere der Operette "Wiener Blut" von Johann Strauß im Cuvilléstheater
von  Robert Braunmüller

Die Besetzung der Rollen sei die halbe Inszenierung, behauptet ein alter Theaterspruch. Er war nie wahrer als in dieser Neuproduktion der Operette „Wiener Blut“ von Johann Strauß im Cuvilliéstheater. Und noch eine weitere ewige Bühnenweisheit wurde in dieser umbaubedingt von Rokoko umrahmten Gärtnerplatz-Premiere wahr: dass es keine kleinen Rollen gibt.

Deshalb muss der Kritiker hier erst die Chargen loben. Harald Hoffmann spielt im ersten Akt einen schimpfenden Fiaker und verwandelt sich in den lüsternen Rollstuhl-Lebemann Graf Bitowski. Dann klebt er sich in Windeseile wieder einen Schnurrbart an und singt als Kutscher noch ein wein- und todesseliges Wienerlied.

Die besten aller Österreicher

Für den ewig angeschickerten Karussellbesitzer Kagler wird der prächtige Burgtheater-Veteran Wolfgang Hübsch aufgeboten. Auch er grantelt genial. Selbst den Uraltwitz, dass er im Räuscherl den Diener Josef doppelt sieht, nahm ihm das Premierenpublikum begeistert und gern ab.

Allerfeinst auch das hohe und das niedere Paar: Tilmann Ungers spielt den Grafen Zedlau als Hallodri mit in die Stirn gefallener Locke, perfekt sitzendem Frack, einer Blume im Knopfloch und strammem Tenor. Cornelia Horak verleiht seiner Gattin Gabriele mit silbrig schimmerndem Sopran damenhaft heitere Würde. Daniel Prohaska verwandelt den Josef in einen charmanten Kraftlackel. Jasmina Sakr ist als Probiermamsell Pepi zauberhaft, schüchtern, herzensgut und selbstbewusst zugleich: Da schlägt das goldene Wiener Herz am rechten Fleck.

Hans Gröning gibt den steifen Fürsten Ypsheim-Gindelbach als Bilderbuchsachsen. Nur Ella Tyran bleibt als Caligari ein wenig blass, weil sie den Widerspruch zwischen ihrem selbstgewählten eleganten italienischen Namen und der vorstädtischen Herkunft nicht auszuspielen wagt.

Inszenierung mit kleinen Mängeln

Mit solchen Darstellern inszeniert sich diese Verwechslungs-Operette fast von selbst. Nicole Claudia Weber wollte leider mehr. Die Regisseurin zersägte den Ballakt zugunsten einer pünktlichen Halbzeitpause in zwei schartige Teile. Sie strich den Wiener Kongress aus der Handlung und verlegte sie in die Entstehungszeit von „Wiener Blut“ um 1900. Im zweiten Akt notiert sich ein bärtiger Zigarrenraucher die Neurosen der weiblichen Ballgäste, und natürlich macht einem die Regisseurin später noch die Freude, den Herrn als den berühmten Wiener Professor und Seelenforscher Siegmund Freud zu enttarnen.

Am Anfang steigen zwei herzig gelockte Amoretten in Lederhos’n aus dem Soufleurkasten. Der eine trägt ein rotweißrot gestreiftes Leiberl, der andere kommt offenkundig aus Bayern. Warum bloß? Ohne es mit der Logik in einer Operette übertreiben zu wollen: Das Fürstentum Reuß-Schleiz-Greiz liegt in Thüringen und hat einen sächselnden Minister. Um diplomatische Verwicklungen zu vermeiden, verzichten wir hier als mündige Bürger des Freistaats Bayern auf alle Gebietsansprüche gegenüber nördlichen Nachbarn.

Nur Blitzgucker dürften erkennen, dass am Beginn der Ouvertüre das wandelbare Eheglück des Grafen Zedlau gezeigt wird. Ehe man hinschaut, ist es schon wieder weg. Aber das ist Kleinkram, der nur uns Berufs-Pedanten missfallen dürfte. Etwas schwerer wiegt die anfangs unzureichende Textverständlichkeit in den Gesangsnummern. Da schaut man lieber auf das putzige Bühnenbild von Karl Fehringer und Judith Leikauf, das daherkommt wie das Produkt einer k. & k. Hofkonditorei.
Auch das schlank besetzte Orchester brauchte unter Michael Brandstätter am Premierenabend ein Viertelstündchen, um sich auf die beinharte Akustik des Cuvilliéstheaters einzustellen. Dann strömte das Wiener Blut flüssiger. Bis zum finalen Auftritt des Johann-Strauß-Monuments im Wiener Stadtpark stand der augenzwinkernden Operettenseligkeit nichts mehr im Wege.

Die speist sich vor allem aus einer überwiegend österreichischen Besetzung. Denn das können’s, unsere Nachbarn. Wenn sie mögen.  

Staatstheater am Gärtnerplatz im Cuvilliéstheater, bis 18. Dezember, 19.30 Uhr, Telefon 21 85 19 60

 

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