So ist "Carmen La Cubana" - die AZ-Kritik
Zwei kleine Buchstaben machen den Unterschied. 2007 und 2016 gastierte eine – im Herzen österreichische – „Carmen Cubana“ im Deutschen Theater. In dieser Aufführung versuchte die glutäugige Heldin von der Insel zu fliehen. Nun ist in der Schwanthalerstraße eine „Carmen La Cubana“ zu sehen, die kurz vor Fidel Castros Revolution spielt und die unverwüstliche Oper von Georges Bizet mit einer ordentlichen Prise Rhythmus und Jazz nachwürzt.
Geboten wird ehrliches, bisweilen biederes Unterhaltungstheater auf Spanisch mit deutschen Seitentiteln. Carmen ist Mulattin statt Zigeunerin. Aus der Zigarettenfabrik von Sevilla wurde eine Zigarrenfabrik in Santiago de Cuba. Brav geht das britisch-kubanische Kreativteam auch sonst mit der Vorlage um: Nicht einmal Micaëla fällt dem Rotstift zum Opfer. Sie heißt nun Marilú und darf alle ihre tranigen Nummern singen, die trotz Schlagzeug-Pep und Solo-Geige die jüngeren Zuschauer in der Premiere ziemlich nervten.
Für kubanisches Flair sorgt zuvörderst die würdige Albita Rodríguez als La Señora. Diese hinzuerfundene Hohepriesterin des Santeria-Kults raunt am Anfang als lateinamerikanische Norn von Liebe und Tod. Später verkörpert sie in einer Vision Josés übermächtige Mama und fungiert beim finalen Boxkampf als Ringrichterin, nachdem sie ein paar halbwegs Bizet-freie Nummern beigesteuert hat.
Als Frauen noch Puschel trugen
Carmen schäkert mit dem Fächer, die Soldaten sind schneidig und alle Menschen sexy. Denn die Geschichte spielt in der guten alten Hemingway-Zeit, als Männer noch Männer waren und Frauen in den Nachtclubs Puschel auf den Köpfen trugen.
Kurz vor der Pause, wenn in der Oper Don José desertiert und gezwungenermaßen zu den Schmugglern überläuft, wäre eigentlich der Auftritt grün uniformierter, gut aussehender und bärtiger Revolutionäre fällig. Aber José fährt mit Carmen nur mit dem Bus nach Havanna.
Nach der Pause folgt ein kurzes Revolutionsballett, aber Kuba bleibt in dieser Aufführung eine austauschbare Kulisse. Das liegt an der unfrischen Vorlage: Das Kreativteam orientierte sich an Oscar Hammersteins Musical „Carmen Jones“, das unter Afro-Amerikanern spielt und 1954 von Otto Preminger mit Harry Belafonte verfilmt wurde.
Ein Exportprodukt - in Kuba nicht zu haben
Im Deutschen Theater ist Carmen wie fast alle Mitwirkenden Kubanerin. Aber auf der Insel war die Aufführung noch nie zu sehen. Es ist ein reines Exportprodukt, mit einem Hauch von deutschem Stadttheater und lateinamerikanischem Abend auf einem Kreuzfahrtschiff.
Nur ganz zuletzt, als Zugabe, wenn die Musiker ihre Trommeln holen und das Ensemble schnell noch einen Mambo auf den Bühnenboden stampft, ahnt der geneigte Besucher, welche Energien eine kubanische „Carmen“ entfesseln könnte. Aber dafür bräuchte es eine Revolución, die Bizets Oper ins Exil schickt, wenn es ein Musical werden soll.
Bis 28. Oktober, Di bis Fr, 19.30 Uhr, Sa und So 14.30 Uhr und 19.30 Uhr, Karten ab 29 Euro unter Telefon 54 81 81 81
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