Siegfried: Kammermusik und Deutschrock
Bayreuth - Wenigstens die Tierliebe blüht in Bayreuth. Bei den Krokodilen gab’s schon wieder Nachwuchs, das ist der kriechende Gag zum Schlussduett am Ende des „Siegfried“. Und der im Umgang mit Damen ungeübte Naturbursche vernascht sowieso lieber den Waldvogel im Samba-Gefieder. Da kann sich Brünnhilde gleich auf eine Ménage à trois einstellen und so fürs Gattensplitting mit Gutrune in der „Götterdämmerung“ üben.
Das ist zum Gähnen lustig und bringt Frank Castorfs Regie – die Phase der Gewöhnung ist noch lange nicht abgeschlossen – dann doch satte Buh-Salven ein. Aber was sollte sich auch ändern? Liebe ist allenfalls ein Konstrukt, das nicht einmal schöner Schein verhüllen darf. Also zeigt Castorf eine von Anfang an illusionslose Welt. Der alte Stückehäcksler ist damit inhaltlich gar nicht so weit von Wagner entfernt, nur ignoriert er dabei die musikalische Seite.
Die Sänger fügen sich nolens volens. Man singt schließlich am Nabel des Wagner-Kosmos‘ und schluckt dafür auch manche größere Kröte zwischen dem schrappligen Wohnwagen eines ziemlich überdrehten Mime (Andreas Conrad) unterm kommunistischen Mount Rushmore und Berlins wenig heimeligem Alexanderplatz. Dass in dieser Öde dann doch Gefühle aufkommen, liegt am hohen Paar.
Die wunderbare Catherine Foster imponiert durch eine seltene Balance zwischen einnehmend lyrischen und strahlenden Tönen, gewisse Unsauberkeiten werden da marginal. Und Stefan Vinke ist als neuer Siegfried die Batterie dieser Produktion. Schwächeln gibt’s nicht, und selbst im Verzückungsjubel ganz zum Schluss springt er mühelos auf jeden Gipfel, hat dort oben eine erstaunliche Beweglichkeit, beeindruckt allerdings mehr noch durch sein feines, ja anrührendes Piano wie etwa im Waldweben.
Allein, es wird nichts aus der Zweisamkeit der beiden, das Leben ist schnöde, die Umgangsformen krude. Das bekommt auch die nach ihrem so überzeugenden „Rheingold“-Auftritt jetzt fast indisponierte Erda der Nadine Weissmann zu spüren, die zum „Hinab, hinab“ an ihrem Mafioso-Galan Wanderer einen Blow-Job erledigen darf. Keine Sorge, es kommt nicht zum Äußersten. Castorfs Stör-Faktotum Patric Seibert ist rechtzeitig mit dem Kassenbon zur Stelle. Der ökonomisch singende Wolfgang Koch hat sich eh genug abgemüht in der faden 100 000-Mark-Show im ersten Aufzug. Und dann fordert ihn auch noch Nobel-Alberich Albert Dohmen zum Stimmduell.
Ein Glück für Koch, dass Kirill Petrenko mit seiner (diesmal nicht immer hundertprozentig konzentrierten) Grabenmannschaft selten in die Vollen geht. Wagner-Wucht passt nicht zu dieser detailfixierten Deutung der Partitur, die natürlich in der Durchsichtigkeit wie in den kammermusikalischen Raffinessen ihren großen Reiz hat. Dagegen ist Castorf meistens nur schlechter Deutschrock.
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