Selbst ist das Spiel
Es ist schon so eine Sache mit den Schauspielern und der Identität: Da vorne stehen welche, die behaupten, jemand zu sein. Und wir sollen es glauben. Oder nicht? Oliver Möller steht auf der Bühne des Volkstheaters und ist – die Krone auf dem Kopf bezeugt es – auf jeden Fall ein Herrscher. Er sei Dschingis Khan, meint er. Oder Nero. Und hält das Publikum süffisant in Schach.
Und dann ist Möller eben doch Basilio, der König von Polen; immerhin wird im Volkstheater Calderóns „Das Leben ein Traum" gespielt, jene im frühen 17. Jahrhundert verfasste Geschichte über einen Regenten, der seinen Sohn weggesperrt hat und diesen dann doch für einen Herrschaftsprobelauf hinauslässt: Vielleicht entpupt der Spross sich doch nicht als Tyrann, wie es vorhergesagt wurde.
Während Calderon sich in gereimten Versen die ewige Frage nach Schicksal und freiem Willen stellt, steht für den 27-jährigen Regisseur Christopher Rüping im Vordergrund, wie im Zeitalter der sozialen Netzwerke das Ich zur permanenten Performance wird, eingepfercht zwischen vorgegebenen wie selbst erzeugten Bildern. Eine Ego-Show, sehr frei nach Calderón.
So dient die mit weißen Matratzen bedeckte Rampe (Bühnenbild: Jonathan Mertz) als Projektionsfläche für live Aufgenommenes und bietet gleichsam eine abfedernde Spielwiese für sieben energiegeladene Darsteller. Dabei löst Rüping die Hierarchie von Haupt- und Nebenfiguren auf: Königssohn Sigismund, von Pascal Houdus engagiert wild gespielt, ist ein Störenfried inmitten von gleichgewichtigen Rollenspielern, die ihre Positionen im Raum brav einnehmen, sich aber auch immer wieder entfesseln, gegen Ende aus dem Schatz der Popgeschichte schöpfen, singen und posen, gefangen im Zitat. Und die Romantik? Astolfo und Estrella (Max Wagner und Xenia Tilling) inszenieren sich im Schein privater Fotos als Liebende. Am Ende entscheidet Sigismund, wer heiratet.'
Der frohen Botschaft Calderóns, dass der Mensch aus seinen Träumen lernen kann, macht Rüping den Garaus. Zwar singen alle vom „Happy Day". Happy ist aber nichts. Kammerdiener Clarin (Johannes Meier) musste blutig in der Badewanne sterben, eine Todesinszenierung, nicht originell, sondern nach berühmtem Revolutionsvorbild.
Am Ende stehen alle da und wissen nicht richtig weiter. Da ironisiert Rüping auch noch das Entgegennehmen des Applauses. Das Ich will und mag Beifall. Und die Grenze zwischen der Darstellung um sich kreisender Egos und sich selbst genügendem, gar selbstgefälligem Spiel wird hauchdünn.
Volkstheater, 29.11., 1.12., 6.12., 21.12., 19.30 Uhr