"Sein oder Nichtsein" im Zentraltheater: Gemeinsam heilsam
Die Rufe gehen durch Mark und Bein. "Heil Hitler!" grüßen die Nazi-Schergen nacheinander auf der Bühne des Zentraltheaters, lautstark, aber immerhin ohne den gestischen Gruß. Hinter Tischen sitzen und stehen sie, durch die Tischlampen können sie sich, Licht an, Licht aus, ins Spiel hinein- und hinausknipsen.
Der Führer ist anwesend und reagiert deppert selbstbezogen: "Ich heile mich selbst!" Und schon muss die Probe unterbrochen werden: Hier studieren Schauspieler ein antifaschistisches Stück ein; der Kollege, der den Führer spielt, hatte Lust, eine zusätzliche Pointe zu improvisieren.
Im Mittelpunkt steht eine Theatergruppe im besetzten Warschau
"Heil myself!" lautet der Ausruf im Englischen und hat mittlerweile seinen festen Platz in der Kinogeschichte. Mit "Sein oder Nichtsein" drehte Ernst Lubitsch im Jahr 1942, also noch während des Zweiten Weltkriegs, seinen auf dem Theaterstück "Noch ist Polen nicht verloren" basierenden Film, der sich dem Horror des Dritten Reichs humoristisch, mit tragischen Untertönen annimmt.
Im Zentrum steht eine Theatergruppe im besetzten Warschau, die unter Einsatz ihrer schauspielerischen Fähigkeiten die Nazis auszutricksen versucht.
Der britische Dramatiker Nick Whitby überarbeitete 2008 die Farce erneut fürs Theater. Seither war "Sein oder Nichtsein" immer wieder auch auf deutschen Bühnen zu sehen und ist nun auch im heimeligen, aber hartbestuhlten Zentraltheater angekommen.
Im Theater verstärkt sich noch mal der Eindruck eines Vexierspiels zwischen verschiedenen Realitäten, sprich, im abstrakten Bühnen-Setting ist noch einmal spürbarer, dass man hier Schauspielern zusieht, wie sie Schauspieler spielen, die wiederum den Nazis etwas vorspielen.
Das Hitlerbärtchen muss abrasiert werden - bei wem und warum?
Zum Teil verkörpern sie auch noch die "echten" Nazis und schlüpfen von einer Rolle in die nächste. Regisseurin Lea Ralfs und ihr Team bemühen sich dabei redlich um Übersichtlichkeit; gerade Jan Viethen erweist sich als wandlungsfähiger Schauspieler, der seine Figuren klar konturiert, wenngleich er manchmal etwas dick aufträgt.
Aber so elegant manche Szenenübergänge gelingen, so fraglich ist doch an anderen Stellen, ob jemand in Unkenntnis des Films der Handlung zu folgen vermag. Zum Beispiel rasiert der selbst erklärte Schauspiel-Star Joseph Tura in einer Szene des Films den Schnurrbart des toten Professors Siletsky in aller Eile weg, um diesen dann posthum als Betrüger entlarven zu können.
Manchmal polternder Theater-Klamauk statt handfester Lubitsch-Komik
Auf der Bühne fuchtelt Tura, mit witziger Virilität und der richtigen pompösen Eitelkeit von Max Wagner gespielt, irgendwie im Gesicht von Ursula Berlinghof herum, die in diesem Moment den Leichnam von Siletsky darstellen soll.
Da muss man schon genau hinschauen, um alles mitzubekommen. Manchmal hakt es auch im Hin- und Herräumen von Tischen, Lampen und einer Tür im Spielfluss, und manchmal wird aus der durchaus handfesten Lubitsch-Komik polternder Theater-Klamauk.
Ensemble fegt mit großer Spielfreude über manche Holprigkeit hinweg
Laura Egger ist als Turas Gattin eine Diva mit erotischer Ausstrahlung, Leyla Bischoff spielt ihre verschiedenen Rollen leider allzu ähnlich. "Wenn ein Schauspieler glaubt, wirklich glaubt, dann glaubt ihm auch das Publikum", sagt Ursula Berlinghof und ist als grantige, aber herzliche Chefin der Theatergruppe tatsächlich glaubwürdig.
Letztendlich verbietet sich natürlich ein Vergleich mit dem Original. Wer kann schon Lubitsch das Wasser reichen? Mit Spielfreude und zum Teil einer Lautstärke, die es in dem intimen Bühnenraum des Zentraltheaters gar nicht braucht, fegt das Ensemble über manche Holprigkeit hinweg; die Regie hat einige gewitzte Einfälle. Und die Wärme, die man einst angesichts Lubitschs streitender, im Ernstfall solidarisch zusammenhaltender Truppe im Kampf gegen die Nazis verspürte, macht sich auch hier heilsam breit.
Zentraltheater, Paul-Heyse-Straße 28 (U-Bahn Theresienwiese), weitere Aufführungen vom 25. bis 27. April, jeweils 20 Uhr, Karten unter www.zentraltheater.de