Kritik

Sebastian Weigle, der Verlässliche

Wagners "Tannhäuser" bei den Opernfestspielen im Nationaltheater
von  Michael Bastan Weiß
André Schuen als Wolfram mit Klaus Florian Vogt als Tannhäuser.
André Schuen als Wolfram mit Klaus Florian Vogt als Tannhäuser. © Wilfried Hösl

Ein schlichtes "piano" schreibt Richard Wagner den je zwei Klarinetten, Fagotten und Hörnern im ersten Takt der Ouvertüre vor. Sebastian Weigle aber macht mit seinem Einsatz zum "Tannhäuser" von Richard Wagner deutlich, dass die sechs das nicht allzu wörtlich zu nehmen brauchen, und gibt ein gesundes Mezzoforte vor. Warum? Weil die Handvoll Blasinstrumente, zumal im ätherischen E-Dur und bei hochsommerlicher Hitze im Haus, sonst ziemlich dünn klingen würden. Weigle ist selbst ausgebildeter Hornist und handelt hier zweifellos aus Erfahrung.

Sebastian Weigle 2010 bei einer Probe mit dem Sinfonieorchester des Festivals junger Künstler in Bayreuth.
Sebastian Weigle 2010 bei einer Probe mit dem Sinfonieorchester des Festivals junger Künstler in Bayreuth. © picture alliance / dpa

Dass er zudem 15 Jahre lang Generalmusikdirektor der Frankfurter Oper war, dürfte ihm zusätzlich dabei helfen, das Bayerische Staatsorchester zum rund laufenden Motor dieser Aufführung von Wagners romantischer Oper zu machen. Der 63-Jährige - in der kommenden Saison als Dirigent der neuen "Liebe der Danae" von Richard Strauss vorgesehen - begnügt sich jedoch nicht damit, mit seiner geraden Haltung wohltuende Verlässlichkeit auszustrahlen. Die Ekstase der Entwicklungen erreicht er durch rhythmische und metrisch von langer Hand vorbereitete Stringenz. Er kümmert sich um Streicher und Bläser gleichermaßen und erreicht mit ihnen zusammen eine selten eindringliche Prägnanz der Artikulation: Sowohl in den längeren rezitativischen Passagen als auch im Tutti werden die Motive regelrecht ausgestanzt statt im Ungefähren belassen.

Konturierte Kantigkeit

Dem Personal auf der Bühne würde es Weigle so gut vormachen. Leider folgen nicht alle seinem Vorbild. Yulia Matochkina verzichtet nicht nur auf Konsonanten, sondern auch weitgehend auf die Deklamation wiedererkennbarer Vokale. Was ihre Venus singt, bleibt komplett unverständlich.

Der Landgraf von Ain Anger orgelt in der Tiefe vernehmlich, irritiert aber mit seiner unruhig flackernden Linienführung. Umso dankbarer ist man für das genaue Gegenbild, das Andrè Schuen entwirft: als ein manchmal wie verwundert trauriger Wolfram von menschlich beeindruckendem Format, der das Lied an den Abendstern mit einfacher, konturierter, baritonaler Kantigkeit singt.

Klaus Florian Vogt als Tannhäuser
Klaus Florian Vogt als Tannhäuser © Wilfried Hösl

Mit ihm kontrastiert aufs Schönste der Sopran von Elisabeth Teige in der Partie ihrer Vornamensvetterin. Die Norwegerin beherrscht die Kunst, die Sprache in ein berückendes Flautando zu überführen, die einzelnen Silben geschmeidig arios zu verbinden und die mitunter recht laut geratenen Ensembles mit stiller Größe zu überwölben.

Heldentenoraler Sonderfall

Und Klaus Florian Vogt als Tannhäuser? Wirkt mehr und mehr wie ein heldentenoraler Sonderfall. Seine Kraft und Stabilität zumal in der Höhe werden im ausverkauften Nationaltheater zu Recht bejubelt. Doch wie pedantisch er jede Note ausbuchstabiert, wie er auf jede Gestaltung des Textsinns konsequent verzichtet, überhaupt die unbedarfte, helle Knabenhaftigkeit, mit der er selbst erotisches Engagement oder religiöse Zerknirschung äußert: Das wirkt, je weiter seine Karriere voranschreitet - Vogt wurde heuer 54 Jahre alt - mehr und mehr sonderbar.

André Schuen als Wolfram mit Klaus Florian Vogt als Tannhäuser.
André Schuen als Wolfram mit Klaus Florian Vogt als Tannhäuser. © Wilfried Hösl

Allein in der Romerzählung wagt er etwas, wenn er die finale Verdammung durch den Papst in gellender direkter Rede karikiert. Wie Sebastian Weigle hat übrigens Vogt auch als Hornist angefangen. Doch dessen dirigentische Suggestivkraft kann selbst bei diesem ehemaligen Kollegen nicht viel ausrichten.

Sebastian Weigle dirigiert in der kommenden Spielzeit eine Neuproduktion von "Die Liebe der Danae" von Richard Strauss. Premiere ist am 7. Februar 2025

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