Scharfrichterbeil 2014 geht an Jo Strauss

Jo Strauss ist in die Fußstapfen von Hape Kerkeling, Urban Priol und Luise Kinseher getreten. Er gewann in Passau den Kabarettpreis Scharfrichterbeil.
von  dpa

Passau – Granteln, Wiener Schmäh, Deutsche Gründlichkeit und Problembär Bruno als berühmtester Flüchtling: Die Palette der sechs Bewerber um den renommierten Kabarettpreis Scharfrichterbeil in Passau war groß. Die Entscheidung fiel auf der Kleinkunstbühne Scharfrichterhaus erst in der Nacht zu Donnerstag: In die Fußstapfen von Hape Kerkeling, Urban Priol und Luise Kinseher tritt Jo Strauss. Der Wiener Musikkabarettist und Wahlberliner gewann den mit 1000 Euro dotierten Hauptpreis des Kabarettwettbewerbs Scharfrichterbeil. Der 32-Jährige überzeugte die Jury aus Mitarbeitern des Scharfrichterhauses und Medienvertretern sowie das Publikum mit einem Ausschnitt aus seinem Programm "Der ganze Dreck".

In seinen morbiden Wienerliedern, Jazznummern und Rockhymnen bringt Strauss Melancholie und Euphorie in Einklang mit Titeln wie "Es ist nicht zu ertragen", "Berlin ist besser als Wien" und "Wenn mir danach ist, steche ich zu". Dazwischen sinniert der studierte Philosoph mit Wiener Schmäh über Ernährungstheorien und "sozialphilosophische Kniffe a la Habermas" bei Diskussionen mit Politessen: "Vielleicht sind die so unfreundlich, weil sie in der Polizeischule immer Adorno lesen mussten". Seit fünf Jahren ist Jo Strauss, ehemaliger Tourbegleiter des Liedermachers Ludwig Hirsch, mit Band unterwegs, die erste CD ist im Frühjahr erscheinen. Kritiker attestierten Strauss: "Tom Waits trifft Helmut Qualtinger trifft Ludwig Hirsch".

Anders als im Vorjahr, als der Preisträger des großen Beils, der Musikkabarettist Friedemann Weise, Buhrufe erntete, war das Publikum am späten Mittwochsabend zufrieden mit der Juryentscheidung.

Das mittlere Beil ging in diesem Jahr an den deutsch-amerikanischen Comedian Vincent Pfäfflin. Der in Berlin lebende 33-Jährige erscheint auf der Bühne mit roter Mütze und T-Shirt mit dem Spruch "Wish you were here", der sich auf einen Sarg bezieht. Der Langsamsprecher zeichnet sich am Mittwochabend durch besonderes Timing aus, seine Alltagserlebnisse mit hoher Pointendichte trägt er stoisch vor: "Die Spermien waren bei meiner Zeugung wohl bekifft". Der zunächst in den USA aufgewachsene, mit 13 Jahren nach Dresden übergesiedelte Stand-Up-Comedian berichtet vom entstandenen Kulturschock und ist verwundert über deutsche Gründlichkeit: "Ich habe einen Liebesbrief von einer Frau zurückbekommen, korrigiert".

Gewinner des kleinen Beils 2014 ist der Berliner Lesebühnenautor Andreas "Spider" Krenzke. Der 43-Jährige überzeugte die Jury mit lesebühnenerprobte Kurzgeschichten, vorgetragen in einer Mischung aus Berliner Schnauze und pfiffigem Charme. Er berichtet von Nachbarn, die sich über Lärmbelästigung beschweren. "Statt Hilfe, Polizei, ruft man nun: Party! Dann holt sicher ein Nachbar sofort die Polizei".

Durchs Programm führt der Münchner Kabarettist Christian Springer, bekannt als grantelnder Kassenwart von Schloss Neuschwanstein "Fonsi" und Moderator des BR-Kabarettformats "Schlachthof". Aus rund 70 Bewerbungen hatte die Jury eine Vorauswahl von sechs Finalisten getroffen.

Simon Pierce, Schauspieler und Comedian mit bayerisch-nigerianischen Wurzeln, berichtet von der Erfahrung, "als Schwarzer unter Schwarzen in Bayern zu leben", Alltagsrassismus, Polizeikontrollen und übertriebener "Political correctness". Auf dem Tr-Shirt des 33-Jährigen steht: "Mei Trachtenhemd is in da Wäsch". Dagegen bringt der poetische Kabarettist vom Bodensee, René Sydow, die Flüchtlingspolitik Europas in Form eines mantraartigen Vortrags ohne Pausen auf die Bühne. "Der berühmteste Flüchtling war der Problembär Bruno aus Italien."

Der Preis und das Theater haben ihren Namen vom alten Scharfrichterhaus, welches von 1200 bis 1400 als Stadtgefängnis diente. Der Legende nach hat dort auch der Henker residiert. Heute geben die Wort-Scharfrichter in der Milchgasse 2 den Ton an, im Theater im historischen Kellergewölbe mit rund 100 Sitzplätzen.

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