"Roxy und ihr Wunderteam" von Paul Abraham

Das Theater Augsburg zeigt die vergessene Operette "Roxy und ihr Wunderteam" von Paul Abraham
von  Robert Braunmüller
© Jan-Pieter Four

Das Theater Augsburg zeigt die vergessene Operette "Roxy und ihr Wunderteam" von Paul Abraham

Der Ex-Nationalspieler und Ex-Trainer hat anscheinend eine Stinkwut auf den heutigen Fußball. In Augsburg steht Jimmy Hartwig als intriganter DFB-Präsident Franz Baron auf der Bühne der Interimsspielstätte im Martini-Park. Gegen seine Ränke sind Sepp Blatter und Franz Beckenbauer nur Waisenknaben. Und am Ende zieht er, ziemlich aus der Rolle tretend, einen inhaltsleeren Fifa-Blabla-Slogan aus der Sakko-Tasche. Der wirkt am Ende der Geschichte noch verlogener, als er ohnehin schon ist.

Der Regisseur Martin G. Berger hat die 1937 im Theater an der Wien uraufgeführte Fußball-Operette „Roxy und ihr Wunderteam“ von Paul Abraham aufgemöbelt. Im Foyer der ehemaligen Fabrikhalle werden Fan-Schals verkauft. Die Spieler tragen Namen wie Basti Saulieger oder Miroslav Knödel. Der Teamarzt heißt Maier-Gutlauf, der kahl geschorene Bundestrainer (Gerhard Werlitz) nennt sich Pepe Tactico. Er trägt einen Pullover unter dem karierten Anzug und redet eine Kreuzung aus Pep Guardiola und Jürgen Klinsmann.

Abgründe des Sports

Nur Reste des ursprünglichen Skeletts der vergleichsweise biederen Originalhandlung haben die satirische Entbeinung durch das Regieteam überlebt. In Augsburg wohnt der Zuschauer einer DFB-Gala bei. Franz Baron alias Jimmy Hartwig möchte einen Preis für vorbildlichen Sportsgeist verleihen. Philipp Gjurka (Thaisen Rusch) vom FC Augsburg stört die pompöse Veranstaltung: Er erzählt, wie es zum deutschen WM-Sieg kam, weil er die Abgründe des Sports offenlegen will.

Von denen gibt es eine ganze Menge: Ein Spieler (Uli Scherbel) ist schwul. Die Funktionäre sind korrupte Erpresser. Das entscheidende Tor Finale zwischen Deutschland und Spanien wurde von einer Frau namens Roxy (Katja Berg) geschossen – unter Verwendung einer Gesichtsmaske. In der finalen Euphorie finden homo- und heterosexuelle Paare zueinander. Und am Ende kippt der DFB seinen ganzen verlogenen Sportkitsch drüber. Und der schwule Fußballer widmet den Preis seiner Freundin.

Der an Rainer Calmund gemahnende Schotte (Markus Hauser) schmiert der Kulturpolitik Augsburgs ihren Geiz bei der Theater- und Bibliothekssanierung aufs Brot. Auch sonst wird von der WM in Katar über das Tabu schwuler Spieler bis zur Verachtung des Frauenfußballs nichts ausgelassen. Trotz vieler Klischees macht das alles viel Spaß. Und die Fußball-Legende Jimmy Hartwig macht mit Bühnencharisma seine Neben- zur Hauptrolle.

Die Abseitsregel - endlich verständlich

Die Choreographin Marie-Christin Zeisset hat die Darsteller zu einer Mannschaft geschweißt, die sich auf dem Platz und unter den Duschen in Top-Form bewegt. Fußballverächter bekommen die Abseitsregel als stummes Bild in Zeitlupe von der Bühne herab verständlich erklärt.

Die Augsburger Philharmoniker spielen unter Lancelot Fuhry als DFB Bigband auf der Hinterbühne. Sie werden leider etwas blechern übertragen. Deshalb kommt die Musik etwas unter die Stollen der Fußballschuhe. Das hat der leider noch immer arg vergessene Paul Abraham nicht verdient.

Als es noch ein deutsches Entertainment gab

Operette ist eigentlich eine Beleidigung für diese 1937 in Wien uraufgeführte Ausstattungsrevue. Abrahams swingende Songs, das wandlungsfähige Anti-Liebesduett und die fetzigen Tanznummern schielen keine Sekunde nach der Oper. Es ist eine selbstbewusste Unterhaltungskunst, nur einen Schritt von Gershwin und dem amerikanischen Musical entfernt, das es damals noch gar nicht gab.

Die Hymnen der Fußballer tönen kämpferisch wie Arbeiterlieder von Ernst Busch. Nur wird bei denen nicht auch noch gesteppt. Das alles wurde 1937 in Österreich, wie eine Verfilmung beweist, noch viel wilder, witziger und mit größter Lust an der sinnfreien Absurdität gesungen.

Trotzdem ist in Augsburg zu ahnen, dass es vor den Nazis einmal völlig unpiefiges, kluges deutsches Entertainment gegeben hat. Vergesst endlich Omas ranzigen Franz Lehár, es lebe der ewig junge Paul Abraham!

Wieder am 12., 13., 21., 22. und 31. Dezember, im Januar und Februar im Martini-Park. Karten über www.theater-augsburg.de

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