"Rote Laterne" im Prinzregententheater: Die vier Frauen des Herrn Chen

Die Studierenden der Theaterakademie August Everding und der Hochschule für Musik und Theater zeigen ab Freitag die Oper "Rote Laterne" im Prinzregententheater. Balázs Kovalik inszeniert den 2015 an der Oper Zürich uraufgeführten Einakter, der Komponist Christian Jost dirigiert das Münchner Rundfunkorchester.
AZ: Herr Jost, bei dem Titel mag der eine oder andere an einen verpassten Zug denken. Worum geht es in Ihrer Oper "Rote Laterne"?
CHRISTIAN JOST: Die Oper basiert auf dem gleichnamigen Film von Zhang Yimou aus den 1990er Jahren. Im Mittelpunkt steht eine junge Frau. Sie ist die vierte Ehefrau eines ominösen Master Chen. Sie durchlebt einen Alptraum, der auf Emanzipation und Freiheit gerichtet ist - in einer sehr hermetischen Struktur, die als Sinnbild jedes gesellschaftlichen Gefüges gesehen werden kann, dem wir ausgesetzt sind, ob nun weich oder hart.

Die Geschichte spielt sich wie ein ferner Alptraum ab
Welche Geschichte wird erzählt?
Es geht um das Binnenverhältnis der vier Frauen unterschiedlichen Alters. Jede versucht, ihre Position zu behalten. Die Hauptfigur erlebt surreale Sequenzen, in denen nicht klar wird, ob sie womöglich schon umgekommen ist und alles nur noch träumt.
War der Film Ihre einzige Vorlage?
Ich habe versucht, mich noch weiter an die Erzählung von Su Tong anzunähern, die dem Film zugrundeliegt. Das gab mir die Möglichkeit, den Stoff weiter von seinem chinesischen Kolorit zu entfernen und eine Geschichte zu erzählen, die sich wie ein ferner Alptraum ohne kulturelle Verortung abspielt.
"Ich wollte einen Raum, der dem Zuschauer fremd bleibt, ohne jeden Exotismus"
Wollten Sie vermeiden, dass Europäer zu Asiaten geschminkt werden, was genauso problematisch ist wie das Blackfacing?
Meine Oper ist so angelegt, dass es das nicht braucht. Ich habe zwar der surrealen Brechung wegen die Namen beibehalten, aber mir geht es primär um einen Raum, der dem Zuschauer fremd bleibt, und das ohne jeden Exotismus.
Gilt das auch für Ihre Musik?
Es gibt keine exotischen Anklänge, und wenn doch, dann nur ganz zart, wie aus der Ferne, wie eine Erinnerung. Aber das passiert ohne die klanglichen Klischees chinesischer Musik. Ich würde das mit einer Wohnung vergleichen, in der sich ein Gegenstand befindet, der aus einer anderen Kultur stammt. Das nimmt man ästhetisch wahr, ohne dass es ein Bekenntnis wäre.
Warum haben Sie dann das Schlagzeug so stark besetzt?
Gongs kommen nicht vor. Ich habe nur westliche Instrumente verwendet. Sie werden eher eingesetzt, den Drive der Handlung voranzutreiben. Das hat eher mit meiner kulturellen Verortung im Jazz zu tun.
"Wir gehen die Aufführung sportiv an"
Warum nennen Sie die "Rote Laterne" ganz unbefangen "Oper"?
Das Stück ist, was es ist. Die "Rote Laterne" hat eine Handlung mit Anfang und Ende - allerdings voller Brüche und Falltüren. Außerdem stehen Sängerinnen und Sänger mit festen Rollen auf der Bühne.
Das Orchester sitzt, wie es sich gehört, im Graben?
Wegen der Pandemie ist das komplizierter. Das Schlagzeug und Hörner spielen auf der Probebühne und werden übertragen. Die minimale Verzögerung muss aufgefangen werden und das macht die Aufführung extrem kompliziert. Aber wir gehen das sportiv an - einschließlich der permanenten Ausfälle. Auch ich musste drei Wochen pausieren, weil ich positiv war.
Sie haben eine enge Beziehung zum zweiten, demokratischen China, das bei uns öfter übersehen wird: zu Taiwan.
Mir wurde vor 12 Jahren angeboten, Composer in Residence beim Taiwan Philharmonic Orchestra in Taipeh zu werden. Von dort aus habe ich auch mit dem Shanghai Symphony Orchestra gearbeitet und auch Festlandchina kennengelernt. Diese Kontakte haben sich in einem Werk widergespiegelt. Obwohl immer wieder deutsche Orchester in Taipeh gastieren, unterhält die Bundesrepublik leider keine offiziellen Beziehungen zu Taiwan, desto wesentlicher und bedeutsamer ist der interkulturelle Austausch.
Prinzregententheater, Freitag, 19.30 Uhr. Auch am Sonntag, 18 Uhr und am 22. März um 19.30 Uhr. Karten unter 089/21851970 oder theaterakademie.de