"Rigoletto": Große Stimmen an der Rampe

Der neue „Rigoletto“ an der Staatsoper ist musikalisch geglückt – das ungarische Regieteam aber wurde heftig ausgebuht  
von  Volker Boser

Der neue „Rigoletto“ an der Staatsoper ist musikalisch geglückt – das ungarische Regieteam aber wurde heftig ausgebuht.

Sieben Jahre nach dem umstrittenen „Planet-der-Affen-Rigoletto“ von Doris Dörrie darf der notorische Womanizer und Herzog von Mantua nun erneut beklagen, wie trügerisch Frauenherzen sind. Wenn das so verführerisch geschieht wie diesmal durch den maltesischen Tenor-Star Joseph Calleja, dann muss man einfach kapitulieren. Vergessen waren alle szenischen Ungereimtheiten. Verdi triumphierte.

Überraschend dennoch, wie einhellig der Sturm der Entrüstung war, der am Ende auf das Regie-Team aus Ungarn niederprasselte. Das Publikum im Nationaltheater schien weniger irritiert als gelangweilt. Denn allzu viel passierte nicht auf der Bühne. Nicht einmal Kostüme gab es. Man glaubte einer konzertanten Aufführung beizuwohnen, inklusive – hinter dem Souffleurkasten – einem Glas Wasser für ausgetrocknete Kehlen.

Árpád Schilling (Regie) und Márton Agh (Ausstattung) hatten den Chor auf eine Tribüne verbannt, die sich öffnen, drehen und wieder schließen ließ. Sobald Verdis „Rigoletto“ Intimität forderte, verschwand das Ungetüm hinter einem Vorhang. Die Sänger versammelten sich an der Rampe. Etwa vorhandene darstellerische Fähigkeiten waren rigoros ausgebremst.

Das geschah nicht aus Hilflosigkeit, sondern vielleicht ja sogar aus gutem Grund, weil das Regie-Team mit der szenischen Reduzierung der Musik wieder zu jener Bedeutung verhelfen wollte, die ihr in so mancher Inszenierung noch immer vorenthalten wird. Ästhetisch fragwürdig wurde es im letzten Akt, als Rigolettos Tochter den Entschluss gefasst hat, sich für den geliebten Herzog zu opfern.

Im weißen Brautkleid im Rollstuhl

Gilda erschien im weißen Brautkleid, setzte sich in einen Rollstuhl, damit ihr der böse Sparafucile die Kehle durchschneiden konnte, derweil Maddalena einen Eimer mit Farbe über ihr Gewand kippt. Da wurde es auf den Rängen doch ziemlich unruhig. Doch zumeist beschränkten sich Árpád Schilling und Márton Ágh auf Andeutungen. Schließlich ist der Konflikt zwischen dem Besitz ergreifenden, aber selbst zerstörerischen Vater Rigoletto und seiner wie eine Gefangene eingesperrten Tochter allseits bekannt.

Dennoch: ein bisschen mehr Szene hätte schon sein können. Musikalisch gab es kaum etwas zu mäkeln. Franco Vasallo in der Titelpartie schmetterte seine verzweifelten Schlusstakte „Ah! La maledizione“ mit grandioser Wucht in den Raum. In den lyrischen Passagen, etwa der Szene „Cortigiani, vil razza dannata", flüchtete er sich bisweilen in ausdrucksarme Larmoyanz.

Joseph Calleja hingegen dürfte derzeit als Herzog unübertroffen sein. Das weiche, helle Timbre und die mühelosen hohen Töne („Ella mi fu rapita!") das alles war auf allerhöchstem Niveau. Verdi-Debütantin Patricia Petibon (Gilda) begann nervös. Nicht alle Spitzentöne gelangen makellos. Insgesamt aber bot sie weit mehr als die übliche Soubretten-Niedlichkeit.

Sexy, wenn auch eine Spur zu vulgär, Nadia Krasteva als Maddalena. Der beeindruckende Bass von Dimitry Ivashchenko (Sparafucile) machte Appetit auf mehr. Dirigent Marco Armiliato kannte kein Pardon. Er galoppierte durch die Noten und animierte das Staatsorchester zu deftigen Attacken, die nicht immer angemessen waren.


 

 

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