Richard Wagners "Walküre" - der zweite Abend des Nibelungenrings
Wild wallendes Wälsungenblut: "Die Walküre" unter Kirill Petrenko am Grünen Hügel
Am Ende wollen die beiden gar nicht mehr voneinander lassen. Immer wieder versucht Anja Kampe, die Arme um Johan Botha zu schlingen, schnappt sich irgendwann Schultern und Hals und drückt ihrem Siegmund einen dicken Kuss auf die Wangen. Der strahlt wie eine Leuchtboje am Kap der guten Hoffnung – Wälsungenblut kann nicht schöner wallen.
Überhaupt hat sich Botha an diesem „Walküren“-Abend ordentlich ins Zeug gelegt, im Vergleich zum Vorjahr ist die Stimme noch einmal aufgeblüht. Seine Sieglinde unternimmt sowieso alles, um Bewegung in diese verbotene Liebe zu bringen, umgarnt den Bruder mit wärmender, höchst intensiver „Lenz“-Euphorie. Die Isolde muss ihr wie eine Last von den Schultern gerutscht sein. Wer sich auf der Bühne so verausgabt, darf wohl nicht auf zwei Hügel-Hochzeiten tanzen. Das hat die Kampe spät bemerkt, um im letzten Moment aus Katharina Wagners „Tristan“-Produktion auszusteigen. Man realisiert das allerdings auch mit Wehmut.
Mit Gesang gegen den Panzerkreuzer
Nichtsdestotrotz wird im Holzstadel-Imperium östlicher Ölbarone jede Premium-Fachkraft gebraucht. Und das dringend. Denn Regisseur Frank Castorf lässt seine Protagonisten nicht lange gewähren, schon gar nicht wenn sich große Gefühle oder – ganz schlimm – Pathos anbahnen könnten. Dann wird auf großen Filmwänden gegengesteuert. Das heißt: gesprengt und torpediert mit Eisensteins „Panzerkreuzer Potemkin“ oder russischen Bürgerkriegsimpressionen.
Die Sänger haben mächtig zu tun, dagegen anzusingen. Am ehesten kann das Kwangchul Youn mit seinem absolut verlässlichen dunklen Hunding-Bass. Aber just der bleibt verschont vom Leinwandterror. Und die Walküren sind eh eine Wumm-Maschine für sich. Dieses Jahr machen sie ihrem Namen in jeder Hinsicht Ehre, vor diesen Hojotoho-Sirenen kann der Held nur flüchten. Die anderen haben es jedoch schwer. Claudia Mahnke ist im Faschingskostüm einer arabischen Prinzessin herrlich zickig geworden, der Ehestreit indes verpufft in den Weiten der Förderanlage. Wobei Wolfgang Koch mit seinem zausligen Quäker-Bart eh auf Sparflamme brennt und erst im dritten Aufzug etwas mehr Gas gibt.
Die Sänger auf Daunen gebettet
Dass dieser Wotan bald das Ende herbei sehnt, sollte man schon wissen. Verzweiflung hört sich anders an. Und selbst der väterliche Schmerz, mit dem er seine Wunschmaid am Ende in die Tiefschlafkammer zwingen muss, klingt nach baldigem Wiedersehen beim Tee.
Dabei ist Catherine Foster eine so eindringliche Brünnhilde. Mit Feinsinn verfolgt sie Frickas Eherettungs-Mission, um bald tiefem Mitleid zu erliegen. Ihren Sopran hat Foster bestens im Griff, das war nicht immer so, doch jetzt gleitet sie fast elegant in die Höhe und kann oben in den Wolken immer noch entspannt modulieren.
Aber Kirill Petrenko achtet eben auf jeden Atemzug, bettet das Bühnenpersonal dauernd auf Daunen. Und hat dabei jede einzelne Orchesterstimme im Visier. Man verpasst manches durch Castorfs Ablenkungsmanöver, das ist schon insofern ärgerlich, als Petrenko nun im dritten Jahr endlich auch loslassen, seine Musik genießen kann. Was der Perfektion keinerlei Abbruch tut. Von der subtilst gesteigerten Bedrohung – selbst die dumpfen Sturm-Motiv-Arpeggien im Vorspiel zum ersten Aufzug drohen in den unterschiedlichsten Dunkel-Tönen – bis zum überwältigenden Feuerzauber.