Richard Strauss und München - ein schwieriges Erbe

Der Komponist und seine Geburtsstadt München – eine Spurensuche
Robert Braunmüller |
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Geboren wurde Richard Strauss am 11. Juni 1864 im Rückgebäude der Brauerei Pschorr am Altheimer Eck. Später zog die Familie ins Vorderhaus um, einen Prachtbau an der Kaufinger Straße gegenüber St. Michael. Nach dem Krieg wurde der durch ein Kaufhaus ersetzt, das mittlerweile einem neuen Geschäftsbau gewichen ist.

Die 1910 angebrachte Gedenktafel überlebte den Krieg. Sie hing lange zwischen der Lieferanten- und der Parkhaus-Einfahrt. Verschwunden ist sie nicht, denn der Besitzer des Neubaus ist die Schörghuber-Gruppe. Ihr Patriarch ließ vor einem halben Jahrhundert an der Richard-Strauss-Straße nicht nur das nach einer Strauss-Oper benannte Arabellahaus errichten, sondern dazu ein neues Stadtviertel mit Opern-Straßennamen um den Rosenkavalierplatz. Und dass aus dem geplanten Konzertsaal nichts wurde, ist bis heute schade.

Heute hängt die Gedenktafel im Parkhaus-Eingang gegenüber der Damenstiftskirche mit Blick auf den Kassenautomaten. Das passt zu Strauss, für den Mitmenschen nur als Publikum existierten: „Ob es aus Chinesen, Oberbayern, Neuseeländern oder Berlinern besteht, ist mir gleichgültig, wenn die Leute nur den vollen Kassenpreis bezahlt haben.“

In der Kaufingerstraße steht zwar der Richard-Strauss-Brunnen, aber üppig lässt sich das Gedenken in der Geburtsstadt des Komponisten wirklich nicht nennen. Das beruht auf Gegenseitigkeit: Strauss hegte einen Groll gegen die Stadt, an deren Hof- und Nationaltheater er zwar als Kapellmeister engagiert war, ihm das prestigeträchtige Amt des Generalmusikdirektors 1898 aber versagt wurde.

Jubiläum und Kopfweh

Strauss rächte sich mit der Oper „Feuersnot“, in der München als spießige Provinzstadt dargestellt wird. Die Uraufführungen von „Salome“, „Elektra“, „Der Rosenkavalier“ und „Die Frau ohne Schatten“ vergab er nach Dresden, deren Staatskapelle und Semperoper seitdem als Hüter der Strauss-Tradition gelten.

Zum Klassiker wurde er 1910 allerdings in München: durch die Richard-Strauss-Woche mit Aufführungen in der Musikfesthalle auf der Theresienhöhe. Im Frühjahr 1933 unterschrieb Strauss den unsäglichen „Protest der Richard-Wagner-Stadt München gegen Thomas Mann“. Als sein Lieblingsdirigent Clemens Krauss fünf Jahre später auf Hitlers Wunsch zum Intendanten des Nationaltheaters ernannt wurde, vergab der Komponist die Uraufführungen seiner Opern „Friedenstag“ und „Capriccio“ an die Staatsoper – ein Ruhm, an dem zeitbedingt ein schaler Beigeschmack anhaftet.

Mit der Zerstörung des Nationaltheaters im Frühjahr 1943 endete die Herrlichkeit. Strauss versah den Walzer „München“ mit einem trauernden Moll-Trio. Die Streicherstudie „Metamorphosen“ galt lange als Elegie auf die in Ruinen liegende Geburtsstadt, was von der Musikwissenschaft allerdings mittlerweile bestritten wird – das Werk gilt eher als Widerruf der Tondichtung „Ein Heldenleben“.
Wie soll man diesen historisch nicht ganz fleckenlosen Komponisten angemessen feiern? Der neue Generalmusikdirektor Kirill Petrenko hat ihn mit einer neuen „Frau ohne Schatten“ so angemessen geehrt, dass sich seine Absage des vorgestrigen Festkonzerts verschmerzen lässt. Die städtischen Philharmoniker spielten die Tondichtungen, das Kulturreferat stellte in Zusammenarbeit mit dem Gärtnerplatztheater im Zentrum Klangboxen auf.

Viel ist das nicht. Mancher hat gewiss noch immer Kopfweh von der Aufführung aller Bühnenwerke durch Wolfgang Sawallisch anno 1988. Aber ein heikles Jubiläum einfach zu ignorieren, ist auch keine Lösung: Zwischen Feiern und Gedenken hätte sich manche Zwischenform angeboten.

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