Interview

Residenztheater: Wenn ein Dino zur Wahl steht

Lukas Rüppel spielt im Stream des Residenztheaters einen Tyrannosaurus Rex mit politischen Ambitionen.
von  Mathias Hejny
Lukas Rüppel im Kostüm des Tyrannosaurus Rex.
Lukas Rüppel im Kostüm des Tyrannosaurus Rex. © David Moser

Politische Gegner beschimpfen ihn gerne als "T-Rex". Das kränkt den Rechtspopulisten tief, und in einem Monolog vor Theaterpublikum wirbt er für eine Welt, die viel besser wäre, würden nur alle Deutsche ihr Land einfach lieben.

Ein Tyrannosaurus Rex in der Zoom-Konferenz

Das Problem: Rex Osterwald ist tatsächlich ein Tyrannosaurus Rex. Die Uraufführung des von Michel Decar als Hörspiel konzipierten und von David Moser für das Residenztheater inszenierten Texts ist ab heute als Zoom-Konferenz zu sehen. Lukas Rüppel leiht dem prähistorischen Raubtier seinen Körper.

AZ: Herr Rüppel, der Autor schreibt einen Darsteller des T-Rex vor, der mindestens 3,70 Meter groß ist und 60 Zähne hat. Andernfalls dürfe das Stück nicht gespielt werden, auch wenn das schade sei. Weiß Michel Decar, dass Sie nur etwa halb so groß sind und nur rund halb so viele Zähne haben?
Lukas Rüppel: Mir würden sogar drei Kollegen einfallen, die wenigstens ein bisschen größer sind als ich. Das ist ziemlich weit weg von mir. Aber wir versuchen, das Beste daraus zu machen. Es wird ja nichts camoufliert, und es wird ja nie gesagt, dass der vielleicht doch ganz nett ist. Im ersten Satz, der noch eine Regieanweisung ist, wird klar gemacht, dass hier Gefahr besteht und ein echter T-Rex im Raum ist. Das Theater einmal so herum zu beginnen und zu sagen, ist neu: Die Gefahr ist wirklich und es kommt jetzt darauf an, wie wir als Zuschauer damit umgehen. Anders herum wurde es schon oft gemacht.

In der vergangenen Woche waren neue Erkenntnisse niederländischer Forscher in den Nachrichten, nach denen der T-Rex zwar ein Räuber war, aber sich langsamer bewegt haben soll als ein Mensch. Lassen Sie dieses neueste wissenschaftliche Ergebnis in Ihre Figurenentwicklung noch einfließen?
Ich habe diese Artikel natürlich gelesen. Aber wir wollen in unserer Inszenierung vor allem das hohe Tempo und die hohe Schlagzahl des Textes mitnehmen. Es wird keine Naturdoku über den T-Rex, sondern eher eine Naturdoku über die aktuellen Gefahren in dem Dschungel, in dem sich die Politik bewegt.

Eine Wahlkampfveranstaltung auf der Bühne

Das heißt, dass es auch nicht aussehen wird wie "Jurassic Park".
Nein, vielleicht das Sounddesign. Aber die Dekoration wird in einem Theaterkontext stehen. Es ist eine Wahlkampfveranstaltung, die auf einer Bühne stattfindet. Es geht um den öffentlichen Auftritt.

Die letzte neue Produktion, die während des gelockerten Lockdowns live im Residenztheater gezeigt werden konnte, war "Dantons Tod". Sie spielten Robespierre, der auch einen schlechten Ruf als Blutsäufer hat. Wie rücken Sie solchen Persönlichkeiten auf den Pelz?
Man will natürlich immer den Menschen dahinter zeigen. Aber bei diesen Rollen hat man das Problem, dass man, wenn man das alles völlig menschlich zeigt, nicht mehr vor den Funktionsweisen der Macht warnen kann. Bei "Dantons Tod" ist es ein bisschen anders, denn es gibt viele Möglichkeiten, reagieren zu können. So, wie ich auf die Informationen reagiere, kann ich etwas über die Person dahinter erzählen, ohne privat zu werden. Oder anders gesagt: Zu zeigen, dass es ein solches Denken in der Welt gibt, ohne Verständnis zu heucheln. Das ist immer eine Gratwanderung.

Rex Osterwald kann durchaus charmant sein

Obwohl von der ersten Minute an der Schrecken etabliert ist, kann Rex Osterwald durchaus charmant sein.
Das ist, was mir als erstes an diesem Stück auffiel und was mir so gut gefällt. Man denkt drei Sätze lang: Das geht ja gar nicht. Dann denkt man zwei Sätze später: Dass kenne ich auch, diese Leute, die ihre Keksverpackungen im ICE liegen lassen, und genau das hasse ich auch. Das könnte von der AfD sein, aber auch von Christian Lindner und könnte sogar aus dem linken Lager kommen. Das ist ein Aspekt, der die Gefahr reell macht.


www.residenztheater.de, Dienstag und kommenden Sonntag ausverkauft, weitere Vorstellungen 8., 14., 21., 29. Mai, 19.30 Uhr

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