Reinhold Messner: "Überleben" im Gasteig

Reinhold Messner skizziert in seinem neuen Multivisionsvortrag seinen Weg vom Südtiroler Bergbub zum größten Abenteurer unserer Zeit
Volker Isfort |
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Reinhold Messner skizziert in seinem neuen Multivisionsvortrag seinen Weg vom Südtiroler Bergbub zum größten Abenteurer unserer Zeit.

AZ: Herr Messner. Im Jahr 2015 blieb der Mount Everest zum ersten Mal seit über vier Jahrzehnten ohne menschlichen Gipfelbesuch.

REINHOLD MESSNER: Diese Serienbesteigungen der letzten Jahrzehnte waren ja nur möglich, weil die Sherpas den Weg vorbereitet hatten – und das ging halt in diesem Jahr wegen des Erdbebens nicht.

Die Regierung scheint in diesem „Jahr der Stille“ nun umzudenken und will künftig keine Erlaubnisse für Rekordjagden von Jugendlichen, Alten, Versehrten erteilen. Das müsste doch ganz in Ihrem Sinne sein.

Ich glaube aber relativ wenig von dem, was da berichtet wird. Die Leute werden sich halt nicht als Einbeiniger anmelden und es dann trotzdem auf den Gipfel versuchen. Und einen 80-Jährigen habe ich schon mal im Basislager getroffen. Es gab 20 Helfer nur für ihn allein. Die Schuld an diesen Auswüchsen tragen allerdings die Medien, die diese absurden Rekorde immer herausgestellt haben. Die Sherpas haben auch weiterhin Interesse, den Berg für möglichst viele Touristen zu präparieren, weil viele von ihnen nur so überleben können. Die nepalesische Regierung erhält mindestens 10 000 Euro von jedem Everest-Bergsteiger. Ich glaube daher kaum, dass sie künftig stärker reglementiert.

Die Regierung kann das Geld für den Wiederaufbau des Landes sehr gut gebrauchen.

Wichtig ist, dass normale Trekkingtouristen wieder nach Nepal gehen und den Einheimischen Hoffnung machen. Ohne Tourismus kann Nepal nicht überleben. Ich habe ja versucht, über die internationale Gemeinschaft Geld aufzutreiben, damit man das Weltkulturerbe im Kathmandutal und auch in den Bergen wieder aufbauen kann. Das können die Einheimischen allein nicht stemmen. Aber im Moment tut sich da nichts.

Es hat dieses Jahr einen erfolgreichen 3D-Kino-Film über die dramatische Everest-Besteigung von 1996 gegeben, die in der Katastrophe endete. Haben Sie den Film gesehen?

Ja, aber der Everest-Film ist leider verunglückt. Es ist halt nicht möglich, diese Starschauspieler wirklich in diese Welt zu bringen. Auch wenn die Tricktechnik nun weiterentwickelt ist, funktioniert es nicht. Ich sehe den Abgrund, die Ausgesetztheit der Personen in diesem Film trotz 3D nicht. Die besten Bilder in diesem Film sind die Filmaufnahmen von David Breashears, die hat er schon 1996 dort gemacht. Und mit diesen Bildern hat man dann die Löcher gestopft.

Aber zumindest der Egoismus am Berg ist doch glaubhaft dargestellt.

Ich bin da anderer Meinung, ich sehe das Ganze nicht moralisch. Am Ende kommen die Spießbürger immer mit der Moral. Es geht darum zu erzählen, was wirklich passiert ist. Und nicht vom moralischen Standpunkt aus, ob es richtig war, den Mount Everest zu besteigen. In der Todeszone geht es nicht um Moral, es geht ganz einfach nur ums Überleben. Die Geschichte dass die Tourveranstalter Bob Fischer und Rob Hall in Konkurrenz zueinander standen und versucht haben, mehr Menschen auf den Gipfel zu bringen als der andere, um ein Geschäft daraus zu machen, ist im Film nur angerissen. Da kommt der Fischer auch zu schlecht weg, der hängt ja im Film dauernd rum, als wenn er auf Drogen wäre. In Wirklichkeit war er ein lebenslustiger, sehr kreativer und spielerischer Typ. Rob Hall war ein sehr präziser Organisator. Ich kannte sie ja beide.

Sie selbst arbeiten ja immer wieder an Bergfilmen.

Wir drehen zur Zeit und noch bis zum Frühjahr einen Bergfilm in Afrika. Das wird natürlich keine Hollywoodproduktion. Wir erzählen eine Geschichte, die 1970 geschehen ist. Es geht um eine Besteigung in Kenia, die mit einem fürchterlichen Unglück endete. Wir zeigen den Versuch, den Verunglückten zu bergen, zu einer Zeit, als es dort noch keinen Helikopter am Berg gab. Die Rettungsmethoden waren ganz primitiv, die Kommunikationsmittel auch, also eine ganz andere Welt als die heutige.

Sie haben oft darüber gesprochen, wie unmöglich es ist, uns, den unten Gebliebenen, die Ausgesetztheit und das Gefühl in der Todeszone zu vermitteln.

Was Kälte über Tage wirklich bedeutet und die sauerstoffarme Luft bei größter Anstrengung, das kann man nicht simulieren oder zeigen. Aber wir versuchen schon, die Ausgesetztheit deutlich zu machen. Da gibt es Bilder, wie ein exzellenter Kletterer über den Gipfelgrat geht, die Kamera hat er nicht auf der Stirn, sondern am Gurt: Man sieht die Füße und den Abgrund tausend Meter tiefer links und rechts. Als ich die Bilder gesehen habe, ist mir fast übel geworden. Ich empfinde dann sofort die Bergsteigerperspektive. Ein winziger Fehltritt – und das war es. Ich hoffe, dass es uns gelingt, mit diesem Film auch einem Laien dieses ungute Gefühl im Bauch zu übermitteln. Das ist die Kunst. Natürlich wäre das in 3D noch stärker, aber das wäre so teuer, da bräuchte man schon Hollywood.

Reinhold Messner stellt am Montag, 30. November um 20 Uhr in der Philharmonie seinen neuen Multivisions- vortrag „Überleben“ vor. Karten ab 29,90 Euro

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