Interview

Ralf Bauer über Rilke: "Er berührt vor allem das Herz"

Nina Hoger, Ralf Bauer und Dietmar Bär stehen mit Musikern für das Rilke-Projekt auf der Bühne des Deutschen Theaters.
von  Volker Isfort
Der Schauspieler Ralf Bauer liebt Yoga, aber auch Lyrik, vor allem Gedichte von Rainer Maria Rilke.
Der Schauspieler Ralf Bauer liebt Yoga, aber auch Lyrik, vor allem Gedichte von Rainer Maria Rilke. © Foto: Daniel Reinhardt/dpa

Vor zwei Jahrzehnten startete das Komponisten-Duo Angelica Fleer und Richard Schönherz das "Rilke Projekt": Begleitet von einer Band interpretieren prominente Gäste Rilke-Gedichte vor großem Publikum und auf CDs.

Am 30. September kommt die neue Ausgabe des Projekts unter dem Titel "Das ist die Sehnsucht" ins Deutsche Theater. Auf der Bühne werden Nina Hoger, Ralf Bauer und Dietmar Bär Rilkes Lyrik vortragen.

Interview mit Ralf Bauer

AZ: Herr Bauer, das Who's who der deutschen Unterhaltung von Iris Berben über Udo Lindenberg bis hin zu Mario Adorf hat schon beim Rilke-Projekt mitgewirkt. Wie wurden Sie Teil der Rilke-Familie?
RALF BAUER: Ich liebe klassische Werke, Gedichte und vor allem Rilke. In der Komödie im Bayerischen Hof, wo ich damals noch mit Blacky Fuchsberger Theater gespielt habe, gab es mal einen Ausfall. Die wunderbare Intendantin Margit Bönisch fragte mich, ob ich nicht ein Ersatzprogramm machen könnte. Und so habe ich dort auf der Bühne neben anderen Texten auch Rilke vorgetragen. Das haben die Macher des Rilke-Projekts, Angelica Fleer und Richard Schönherz im Internet entdeckt und mich vor fünf Jahren eingeladen.

Konnten Sie sich Gedichte aussuchen?
Das legen die beiden fest. Sie gestalten das Programm, sie gestalten auch die CDs und sie haben ein sehr feines Gespür dafür, welches Gedicht am besten zu welchem Schauspieler passt.

"Der Panther" stammt von Rainer Maria Rilke

Sie sind Rilke wahrscheinlich zum ersten Mal in Form des "Panthers" in der Schule begegnet?
Nein, ich erinnere mich nicht daran, je Rilke in der Schule gelesen zu haben. Aber ich hatte an der Schauspielschule einen wahnsinnig guten Lehrer, der Rilke zitiert hat, um zu zeigen, wie wichtig der Rhythmus gerade bei Rilke ist. Er sagte immer: "Was bei Rilke enorm wichtig ist, sind im Grunde genommen die Pausen, weil so die Bilder entstehen können." Und mit Rilke hat er damals versucht, uns nahezubringen, wie man Lyrik interpretiert.

Sie haben lange in München gewohnt. Ab 1997 hat Edgar Selge im Werkraum der Kammerspiele über 50 Mal die ersten sieben der "Duineser Elegien" vorgetragen. Haben Sie ihn dort gesehen?
Leider nicht. Ich habe mit einem Regisseur mal den "Urfaust" in Frankfurt gemacht. Er war schon einigermaßen betagt und hat mir erzählt, dass er den "Faust" zum x-ten Mal auf die Bühne bringt und jedes Mal etwas völlig Neues entdeckt, was ihm bisher entgangen ist. Das ist bei Rilke genauso. Je nach Lebensabschnitt, je nach Situation, stößt man auf immer neue Facetten.

Gedichte von Rilke müssen atmen, wie ein Rotwein

Franziska Walser, Edgar Selges Ehefrau, die ihn später bei den Elegien begleitet hat, sagte mal, dass Rilke leichter zu verstehen sei, wenn man ihn laut spricht, als wenn man ihn liest.
Ich habe ein eigenes Literaturprogramm, bei dem Rilke natürlich auch vorkommt. Bei Rilke ist es eigentlich wichtig, eine gute Flasche Rotwein aufzumachen. Denn die Gedichte von Rilke müssen genauso atmen wie ein guter Rotwein. Ansonsten gebe ich Frau Walser recht.

Rilke war auch ein großer Reisender und Suchender. Erkennen sie sich da wieder?
Zu einhundert Prozent. Ich mag seine Reflexionen über das Leben, das fängt ja beim "Panther" an, oder nehmen wir "Östliches Taglied" mit der unglaublichen Zeile über zwei Liebende: "Man müsste so sich ineinanderlegen wie Blütenblätter um die Staubgefäße". Das Gedicht endet mit der Zeile "Unsre Seelen leben von Verrat." Allein mit diesem Gedicht können sie wirklich Stunden nachdenkend verbringen.

Um was geht es beim Rilke-Projekt im Deutschen Theater?

Was ist für Sie die Quintessenz des Rilke-Projekts?
Das ist einfach ein Eintauchen in eine andere Welt, in einen musikalisch sehr vielfältig begleiteten Rilke-Kosmos. Und es ist auch ein Abend, der Anstöße gibt, seine Sicht auf das Leben zu hinterfragen. Aber das klingt jetzt fast ein wenig zu platt, für diese kunstvolle Show, die die beiden gestaltet haben. Es ist einfach wunderschön, was an diesem Abend passiert, sonst gäbe es das Projekt auch gar nicht zwei Jahrzehnte lang erfolgreich.

Hannelore Elsner, die auch mal beim Rilke-Projekt dabei war, sagte: Rilke lesen, mache sie glücklich.
Oh ja! Es ist ja nicht nur so, dass Rilke das Hirn beansprucht, er berührt vor allem das Herz. Ich habe nie verstanden, dass man sich im Deutschunterricht nicht die Gedichte heraussucht, die auch junge Menschen unmittelbar ansprechen. Bei Rilke jedenfalls wird man fündig, er drückt in seiner wunderschönen Sprache Emotionen aus, die jeder von uns kennt, aber niemals so formulieren könnte.

Sie selbst schreiben Yoga-Bücher und Drehbücher. Schlummert in Ihnen auch ein heimlicher Dichter?
Ich habe schon unzählige Tagebücher in meinem Leben gefüllt, aber die sind natürlich nicht für die Öffentlichkeit geschrieben. Und wenn man sich intensiv mit Rilke befasst und dann in seinen eigenen Texten blättert, kommt man sich doch ein bisschen vor wie ein Bauerntölpel.


Deutsches Theater, 30. September, 20 Uhr, Karten ab 40 Euro unter 089/ 55 234 444

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