Rabih Mroué und ihre One-Woman-Performance „Rima Kamel“

Genau um 20 Grad beugt sich der Oberkörper beim Applaus nach vorne. Das hat ihr der Dirigent beigebracht und ist nur einer der Dressurakte, denen Rima Khcheich von früher Jugend an ausgesetzt war. Nicht einmal ihren Künstlernamen wählte sie selbst aus: Abdel Wahab, selbst ein Publikumsliebling im Libanon, legte fest, dass sie Rima Kamel heiße. Unter diesem Namen war sie in den 1980ern ein Kinderstar der libanesischen Volksmusik-Szene, die ihre „Jahrhundertstimme“ feierte.
Bis heute ist sie populär in ihrer Heimat, hat aber auch eine Zuhörerschaft außerhalb der arabischsprachigen Welt. Ihre musikalischen Wurzeln entwickelt sie heute weiter, sucht nach einer zeitgemäßen Tonsprache und verschmilzt sie mit europäischem Jazz.
Vom Beginn dieses Emanzipationsprozesses sowohl von den Vaterfiguren als auch von sich als Kunstfigur erzählt ihr Landsmann Rabih Mroué mit ihr selbst in der One-Woman-Performance „Rima Kamel“, uraufgeführt in der Kammer 3.
Ich war zu schüchtern, um schüchtern zu sein
Damit eröffnete das Mroué-Minifestivals „Image War Machine“. Vor zwei Jahren debütierte der Theatermacher und Bildende Künstler in München mit „Ode To Joy“, einem Stück über die Frage, wie die Medien mit dem Olympia-Attentat 1972 umgingen. Es ist am kommenden Montag, ebenfalls im Rahmen der Werkschau, zum letzten Mal zu sehen. Um Überlieferung und Wahrheit geht es auch in „So Little Time“, zu sehen am Samstag und Sonntag: Ein totgeglaubter Soldat kehrt zurück und muss mit dem Mythos leben, der sich um ihn gebildet hat.
Auch „Rima Kamel“ ist eine Spurensuche mit dem Ergebnis, dass nicht nur die Erinnerung verblasst, sondern auch ein Archiv mit authentischen Zeitzeugnissen keine Garantie auf Wirklichkeit bietet. Am Schluss hat Rima Khcheich ihren Koffer geöffnet und den Inhalt zu einem Museum ihrer Vergangenheit auf der minimalistischen Spielfläche ausgebreitet: Ein blassgelbes Kleid, in dem sie als Kind auftrat, ihre Schuhe von damals, vergilbte Zeitungsausschnitte oder VHS-Kassetten.
Deren Bilder flimmerten zuvor auf einer Projektionsfläche und wurden von der Sängerin mal ein wenig wehmütig, mal leicht lakonisch kommentiert. Ganz unprätentiös passiert in den 80 Minuten großes Theater über das Erwachsenwerden eines zutiefst verunsicherten Kindes („Ich war sogar zu schüchtern, um schüchtern zu sein“) in Zeiten des Krieges, in denen die scheinbar auf ewig fest gefügten Formen der traditionellen Musik eine Illusion von Sicherheit geben.
Kammerspiele, 14. Februar, 19.30 Uhr, Karten unter Telefon 23396600