Puderweiße Explosion

Frech, magisch und voll Tempo: „Swan Lake Reloaded“ lässt das Prinzregententheater bei der Premiere toben
von  Amina Linke

Frech, magisch und voll Tempo: „Swan Lake Reloaded“ lässt das Prinzregententheater bei der Premiere toben.

MÜNCHEN - Stroboskopartiges Licht blitzt durch das Dunkel. Verzerrte Elektro-Musik durchbricht die Stille. Mit fließend-abgehackten Bewegungen schleicht eine schwarze Gestalt auf den Bühnenrand zu. Ein Schwanenwesen. Aber dürr. Ausgemergelt. Die Augen in Schatten. Ein Zuhälter. Ein Drogenlieferant. Und die Arme der plüschigen Lichtgestalten zucken schon.

„Swan Lake Reloaded“ heißt die verstörend grandiose Inszenierung des Tschaikowsky-Klassikers. Doch mit dessen orchestraler Wucht hat die schwedische Adaption von Choreograf Fredrik Rydman wenig gemein. Die Zuschauer erwartet vielmehr ein spannungsgeladenes Straßen-Drama mit „Mission Impossible“-Elementen. Ein echter Kick, dabei gibt es das weiße Pulver nur auf der Bühne.

Macht nichts. Rausch genug ist auch die Rollenprosa der zugedröhnten Schwäne. Eingehüllt in weiße Pelzmäntel pantomimen sie ihre Ekstase zu einer musikalischen Sentenz aus Störgeräuschen und gescratchten Tönen. Zeit für den „Torsk“. Einen Kabeljau, der das schwedische Synonym für Freier ist, knallt Zuhälter Rotbart (Daniel Koivunen) denn auch seinen Prostituierte vor die Füße.

Die grazile Ursprungs-Choreografie von Lew Iwanow? Verlorene Liebesmüh. Streetdance passt besser zum stinkenden Schwanensee der Moderne. In dem schwimmt derweil Siegfried (Robert Malmborg) auf seine Odette (Maria Andersson) zu. Tschaikowskys sanfte Klänge vertonen die unheilvolle Begegnung. Ein Liebesreigen zu Schwedens Geheimwaffe Moneybrother. Das Zusammenspiel von klassischer Komposition und moderner Musik, es harmoniert hier wundervoll.

Doch die jugendliche Freude wähnt nur kurz. Der Schwan braucht sein Futter – und für das gründelt er tief. Der Arm zuckt, der Zuhälter naht und die Junkie-Braut ward nicht mehr gesehen. Bis die vermeintlich Verschollene sich kokettierend auf einem Laufsteg präsentiert. Siegfried fackelt nicht lang – und gibt der falschen seinen Ring. Die schwarze Symbiose aus Rotbart und Odile zuckt ausgelassen zum Elektro-Beat. Der Freestyle wird aber jäh unterbrochen, als eine verlorene Seele puderweiß im Hintergrund erscheint. Odette. Chaos. Doch Siegfried macht seinen Fehler wett.

Ein Kuss. Rotbart taucht auf. Ein Kampf. Eine Vergewaltigung. Ein Schuss. Eine Federnexplosion. Und noch ein Schuss. Der Saal tobt.

Prinzregententheater, bis 17.3.

 

 

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