Puccinis "Tosca" mit Kaufmann, Harteros, Terfel und Petrenko

Die Vorstellung des Jahres: Puccinis „Tosca“ mit Anja Harteros, Jonas Kaufmann, Bryn Terfel und Kirill Petrenko bei den Opernfestspielen im Nationaltheater
Robert Braunmüller |
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Anja Harteros und Bryn Terfel.
Wilfried Hösl Anja Harteros und Bryn Terfel.

Das große „Tosca“-Erlebnis stellt sich nur sehr selten ein. Bei der Premiere von Luc Bondys Inszenierung vor sechs Jahren sorgte nur Jonas Kaufmann mit seinen emphatischen „Vittoria!“-Rufen für das Kribbeln am Rücken. Jetzt hat die Bayerische Staatsoper eine wahrhaft festspielwürdige Besetzung zusammengebracht: Kaufmann singt wiederum den Cavaradossi, Anja Harteros übernimmt die Titelpartie, Bryn Terfel ist Scarpia. Und Kirill Petrenko dirigiert.
Bessere Sänger und Darsteller gibt es für diese Oper gegenwärtig nicht. Und schon gar kein Trio, das wie ein seit Jahren aufeinander eingespieltes Ensemble wirkt.

Das öde Bühnenbild (Richard Peduzzi), das scheußliche Gemälde, das Benzinfass des Malers und der ranzige Antiklerikalismus beim „Te Deum“ von Luc Bondys Inszenierung stören plötzlich nicht mehr. Dafür wirkte die Personenführung unglaublich frisch und intensiv (Szenische Einstudierung: Johannes von Matuschka).

Wie eine Luc Bondys Inszenierung immer besser wird

Alle Sänger haben eine eigenständige und zugleich schlüssige Sicht auf ihre Figur. Anja Harteros versteht die Tosca nicht als Diva, sondern (wie es die Autoren wollten) als junges, naives Mädchen vom Land. Die Desillusionierung der Figur gestaltet sie grandios: im bewegend gesungenen „Vissi d’arte“ und dem Schluss des zweiten Akts, bei dem sie sich in Bondys Inszenierung nach dem Mord an Scarpia beinahe aus dem Fenster stürzt. Keine ihrer Vorgängerinnen hat das so überzeugend gespielt.

Kaufmann gibt den Cavaradossi als anfangs ziemlich leichtfertigen Draufgänger, dessen politisches Bewusstsein erst unter der Folter erwacht. Die „Vittoria“-Rufe haben Kraft. Aber der Münchner entwertet sie nicht zu einem bloßen Akt tenoraler Athletik. Im dritten Akt nahm er „E lucevan le stelle“ recht langsam – die Arie verlor daher den Charakter eines existenziellen Schreis nach dem Leben im Moment der Gewissheit, sterben zu müssen. Aber das sind Details: Der Maler ist bei Kaufmann ein runder Charakter und kein Musikautomat für Arien.

Bryn Terfel spielt den Scarpia als brutalen Faun. Wenn dieser Zwei-Meter-Mann den Spoletta (Kevin Conners) wegschubst, schaut das wirklich gefährlich aus. Als Darsteller ist Terfel absolut einmalig. Zu genau hinhören sollte man allerdings nicht: Er singt ziemlich einfarbig. Die einst so bassig-dunkle Stimme tönt ein wenig grau. Aber mit seiner Bühnenpräsenz macht Terfel dies alles wieder wett. Er ist seit Menschengedenken der erste echte Scarpia auf der Bühne des Nationaltheaters.
Die Staatsoper komplettiert das alles mit dem besten „Tosca“-Dirigenten der Gegenwart: Kirill Petrenko. Der sorgt für atemlose Spannung. Die Wendigkeit zwischen brutal und zart, die er dem Staatsorchester entlockt, ist einfach phänomenal. Jede Stelle der Partitur wirkt sorgfältig erwogen und doch natürlich. Es gibt nur einen winzigen Schwachpunkt: die vier Solo-Celli im dritten Akt. Die dröhnen schmachtend und viel zu laut, wie eh und je.

Aber sonst: Der siebte Opern-Himmel war offen. Und das Wunder geschah, dass eine Aufführung im Festspiel-Repertorie besser geprobt und sorgfältiger vorbereitet wirkte als jede Premiere.

Noch einmal am Freitag, 1. Juli, 19 Uhr, ausverkauft

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