"Probleme Probleme" nach Ingeborg Bachmann - die AZ-Kritik

Abdullah Kenan Karaca inszeniert im Volkstheater "Probleme Probleme" nach einer Erzählung von Ingeborg Bachmann.
Mathias Hejny |
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Gute Laune in der Eisgrotte: Max Poerting (links), Jakob Immervoll und Henriette Nagel.
Gute Laune in der Eisgrotte: Max Poerting (links), Jakob Immervoll und Henriette Nagel. © Arno Declair

Beatrix ist 20 Jahre alt und verliebt. Es ist nicht Erich, in den sie verliebt ist, obwohl sie sich mit ihm zuweilen im Café oder im Kino trifft. Bei diesen Dates erträgt sie mit "engelhafter Geduld" Erichs "Bewunderungsanfälle" sowie seine Berichte über dessen strapaziöse Ehe mit der notorisch selbstmordgefährdeten Guggi. Ihre Bewunderung gilt ihr selbst. Bei einer ihrer wöchentlichen Friseurbesuche entdeckt sie im Spiegel ihre verführerische Schönheit: "Ich bin ja richtig verliebt in mich. Ich bin zum Verlieben!"

Das Wiener Madl ist die Protagonistin der 1972 erschienenen Erzählung "Probleme Probleme" von Ingeborg Bachmann. Die im darauffolgenden Jahr mit 47 gestorbene Autorin beschrieb boshaft und mit einer für ihr Werk eher untypischen Heiterkeit, was sie von den Frauen dieser Zeit hält.

Immer erschöpft

Dabei hat Beatrix durchaus Anarchistisches an sich. Neben dem Verwöhntwerden im Salon René, das ihr größtes Lebensglück ist, rebelliert sie gegen die Gesellschaft, in dem sie sich ihr entzieht: Sie schläft viel, ausdauernd und gerne bis zum Nachmittag. Aktionismus findet sie nicht nur "dumm", sondern "grauenvoll" und ist sowieso immer "zu erschöpft, um sich ins Leben zu stürzen". 

Bachmanns innerer Monolog ist die fünfte der kurz getakteten Premieren in der vorgezogenen neuen Spielzeit des Volkstheaters. Regisseur Abdullah Kenan Karaca ließ den Text weitgehend unangetastet und es erstaunt, wie frisch das grimmige Gesellschaftspanorama über fast 50 Jahre geblieben ist. Nur an Begriffen wie "Burschen", wenn es um jungen Männer geht, oder am Bestehen der ledigen Beatrix auf die Anrede "gnädiges Fräulein" sind Reste der 1960er-Jahre hörbar.

Verspielte Bebilderung

Die Inszenierung funktioniert ähnlich wie die Kafka-Adaption "Der Bau", die seit drei Wochen auf dem Spielplan steht, wenn auch nicht mit der gleichen soghaften Intensität. Wie Mirjam Loibl verteilt Abdullah Kenan Karaca den aus der Perspektive eines beziehungsweise einer Einsamen gesprochenen Prosatext auf drei. Die einzige weibliche Besetzung ist Henriette Nagel, den Rest der multiplen Beatrix bilden Jakob Immervoll und Max Poerting. Alle drei wirken in den trikothaft geschnittenen Kostümen von Elke Gattinger androgyn, wenngleich in unterschiedlicher Ausprägung.

Jakob Immervoll bespielt die breiteste Palette, die sich innerhalb dieser Konzeption an Farben bietet: Er ist ebenso mädchenhaft wie jungenhaft, ist aber auch Herr oder Dame und bei Bedarf witzig tuntig. Vor allem aber lässt sich bei ihm zuweilen verstehen, warum es hier nicht zuletzt um den tragikomischen Bericht einer tief greifenden Existenzkrise geht. Wenn die Routine im Friseursalon durchbrochen wird, weil die vertraute Kosmetikerin durch eine "trampelige" Vertreterin ersetzt wird, ist das für eine wie Beatrix eine Bedrohung.

Deren Welt zwischen dem nie gemachten Bett im möblierten Zimmer und dem schicken Friseursalon abstrahiert Bühnenbildner Vincent Mesnaritsch zu einer Eisgrotte. Das beherrschende Material ist Plastikfolie, aus der auch Utensilien gebastelt werden wie die Trockenhauben. Die verspielte Literaturbebilderung, die Karacas szenische Rezitation amüsant macht, nimmt jedoch gleichzeitig der Bachmannschen Prosa genau das "Grauenvolle", das ihr Anlass ist.
   
Münchner Volkstheater, 29. August, 17.30 Uhr, 2., 10., 23. September, 8., 10. Oktober, 20 Uhr, Karten unter 5234655
 

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